„Kleiner Pieks“ hilft Kindern in Erlangen und Bayern

25.3.2015, 18:30 Uhr
„Kleiner Pieks“ hilft Kindern in Erlangen und Bayern

© Harald Sippel

Die zehnjährige Emily ist Klassenbeste, und rechnen kann sie besonders gut. Erworben hat sie ihre Rechenfähigkeit nicht nur in der Schule, sondern auch beim Essen. Denn sie muss auf eine eiweißarme Diät achten, um den Phenylalain-Spiegel im Blut abzusenken. Gemüse und Obst sind das beste für sie, aber bei einem Nutellabrot gerät die Bilanz sofort durcheinander. Doch Emily hat — unterstützt von ihren Eltern — das Ganze im Griff.

Das Mädchen aus Bayreuth hat eine angeborene Stoffwechselerkrankung oder, wie Oberarzt Holger Blessing von der Erlanger Kinderklinik lieber sagt, eine „Stoffwechselbesonderheit“. Denn krank, so hebt der Endokrinologe hervor, sei die Zehnjährige nicht. Das hat sie dem Neugeborenen-Screening zu verdanken, durch das gleich nach ihrer Geburt entdeckt wurde, dass sie eine Störung im Eiweißstoffwechsel hat.

Ohne Behandlung kann dies zu schwersten geistigen und körperlichen Behinderungen oder sogar zum Tod führen. Längst ist das Screening zu einem Routinevorgang geworden. Der Freistaat sei bei dem Erfolgsprojekt bundesweit Vorreiter gewesen, sagte Melanie Huml. Was für die Säuglinge „ein kleiner Pieks“ sei, bei dem aus der Ferse Blut entnommen werde, habe große Wirkung. Denn immerhin sei durch die Blutuntersuchung im Zeitraum von 15 Jahren bei 1335 Kindern frühzeitig erkannt worden, dass sie eine der überprüften 14 Stoffwechselkrankheiten haben. Mukoviszidose soll demnächst dazu kommen.

1999 wurde das Neugeborenen-Screening im Freistaat auf Initiative des Gesundheitsministeriums in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) flächendeckend eingeführt, seit 2005 sind diese Untersuchungen nach bayerischem Vorbild eine Regelleistung der gesetzlichen Krankenkassen. 1,6 Millionen Kinder wurden seitdem im Freistaat untersucht und damit über 99 Prozent der Neugeborenen.

Als besonders wichtig bezeichnete Uta Nennstiel-Ratzel vom LGL-Screeningzentrum in Oberschleißheim und Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Neugeborenen-Screening das in Bayern durchgeführte Tracking-System, durch das sichergestellt werde, dass alle kontrollbedürftigen Befunde bis zur endgültigen Diagnose von Ärzten aktiv nachverfolgt werden.

Dass es mit dem Screening allein nicht getan ist, wurde beim Pressetermin im Gespräch mit Eltern betroffener Kinder deutlich. Denn längst nicht jeder Arzt und jede Klinik kann offenbar mit der Diagnose richtig umgehen.

Die Erlanger Uniklinik hat eines von bayernweit zwei Stoffwechselzentren und mit Prof. Dr. Helmuth-Günther Dörr und Dr. Holger Blessing Experten, die Betroffene kompetent betreuen. „Es ist wichtig, dass die Eltern auch psychologisch betreut werden“, sagte Prof. Dörr. Denn die Diagnose sei oft ein Schock für sie. Außerdem brauche man Netzwerke mit den Kinderärzten.

Keine Kommentare