"Mit 40 nicht zurück in den Job: Diese Zeiten sind vorbei"

17.11.2018, 10:00 Uhr

© Harald Sippel

Claudia Wolter, Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Erlangen-Höchstadt, hat eine gute Botschaft: "Der Arbeitsmarkt für Wiedereinsteigerinnen ist so gut wie nie", sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. Zwei Stunden zuvor hat ihr oberster Chef, Landrat Alexander Tritthart, in seinem Grußwort auf der Infobörse geschildert, wie schwer sich der Landkreis momentan damit tut, seine Ausbildungsplätze personell zu besetzen.

Gute Zeiten also für Wiedereinsteigerinnen: Dass es vor allem Frauen sind, die ihre Arbeitsbiografie unterbrechen, wenn Nachwuchs kommt, ist weiterhin eine Tatsache, auch wenn zunehmend mehr Männer Elternzeit in Anspruch nehmen. Bei der Infobörse ist es augenfällig: Vor allem Frauen sind gekommen, nur vereinzelte Männer, auch wenn beide eingeladen waren — es bietet sich gewissermaßen das Kontrastbild zu Managementsitzungen großer Firmen.

Den dazu passenden "Fakten-Check Gleichstellung" hat Claudia Wolter auch gleich parat. Die Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen hat ihn erarbeitet. "Frauen wenden täglich gut anderthalbmal so viel Zeit wie Männer für unbezahlte Sorgearbeit auf" heißt es da zum Beispiel. Oder: "Nur jede vierte Führungskraft der obersten Ebene in der privaten Wirtschaft ist eine Frau". Zahlen des Bundesamtes für Statistik belegen auch, dass nur neun Prozent der arbeitenden Männer in Teilzeit sind. Dagegen arbeiten 72 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern auf Teilzeitbasis.

Zu Claudia Wolters guter Botschaft gehört, dass Arbeitgeber aufgrund des leergefegten Arbeitsmarktes momentan eher als sonst bereit seien, auf Bedingungen potenzieller Arbeitnehmerinnen einzugehen. Teilzeitjobs, flexible Arbeitszeit: Genau das ist es, was es ihnen erleichtern würde, nach einer "Familienpause" wieder in den Beruf zurückzukehren.

Was Wolters eigenen Arbeitgeber, den Landkreis, betrifft, so hat dieser ein Audit "Familie und Beruf" durchlaufen und ist gerade im zweiten Zyklus des Auditierungsprozesses. Inzwischen gibt es im neuen Landratsamt ein Eltern-Kind-Büro gibt, ausgestattet mit Sofa, Kinderreisebett und Spielsachen, das genutzt werden kann, wenn kurzfristig Probleme bei der Kinderbetreuung auftreten. Wolters Gleichstellungskollegin der Stadt Erlangen, Christina Nießen-Straube, kann darauf verweisen, dass die Stadt im nächsten Frühjahr ein Projekt "Führung in Teilzeit" starten wird, weil sie eine familienfreundliche Arbeitgeberin sein will.

Doch solche vorbildlichen Projekte können nicht darüber hinweg täuschen, dass für Viele die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiterhin schwierig ist. Das Veranstaltungsteam der Infobörse, zu dem neben den beiden Gleichstellungsbeauftragten auch die Agentur für Arbeit Fürth, die Jobcenter der Stadt und des Landkreises sowie die Soziale Beratung des Caritasverbandes gehören, hat offenbar einen Nerv getroffen. Zahlreiche Interessierte sind gekommen, die Infobörse boomt geradezu.

Das beweist auch, dass es eine gute Entscheidung war, sie stadt- und landkreisübergreifend anzubieten und als Veranstaltungsort das Kreuz + Quer in Erlangen auszuwählen. Dort fand sie letztes Jahr zum ersten Mal statt, nachdem sie zuvor im Landkreis an verschiedenen Orten sieben Mal über die Bühne gegangen war. Hier gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, macht auch Sinn, denn etliche Einrichtungen wie zum Beispiel die IHK Nürnberg, die ihre Fachkenntnisse an Infoständen zur Verfügung stellen, oder auch die Agentur für Arbeit Fürth sind ohnehin sowohl für die Stadt als auch für den Landkreis zuständig. "Wir können das bündeln", sagt Claudia Wolter.

Bewerbungsmappencheck, berufliches Coaching, Vorträge: Die Veranstaltung bot auch diesmal wieder eine Viefalt an Informationen — und es ist ein Angebot, das umsonst und ohne vorherige Anmeldung wahrgenommen und nach den jeweiligen individuellen Interessen ausgesucht werden kann. "Wann habe ich sonst schon die Möglichkeit, mit Personalverantwortlichen außerhalb einer Bewerbung ein Vier-Augen-Gespräch zu führen?", sagt Claudia Wolter. Wer bereits 30 Bewerbungen geschrieben und ebenso viele Absagen erhalten habe, frage sich, woran es liegt. Die Chance, dies "im persönlichen Gespräch zu klären", habe man sonst nie, ergänzt Christina Nießen-Straube.

Dass Frauen sich manchmal gar nicht auf den Arbeitsmarkt trauen, wissen Bettina Grey und Gabriele Schüßler. Sie arbeiten im Fallmanagement Alleinerziehende bei der GGFA, die innerhalb des Erlanger Jobcenters für die Integration von SGB II Beziehern zuständig ist, und sind ebenfalls beratend bei der Infobörse präsent. "Wir betreuen Kundinnen und Kunden mit besonderen Problemlagen, die geklärt werden müssen, bevor sie Arbeit aufnehmen", erklärt Bettina Grey.

Alleinerziehende in der Stadt haben oft ein schlechtes Unterstützernetzwerk, so ihre Erfahrung, vor allem weil die Nachbarschaftsverhältnisse anonymer seien als in ländlichen Gegenden. Randzeitenbetreuung ist ein großes, oftmals ungelöstes Thema. Fast alle der von Grey und Schüßler betreuten Alleinerziehenden sind Frauen.

"Sie sind sehr engagiert und motiviert, Arbeit zu finden. Viele arbeiten in Teilzeit, doch da der Verdienst zum Leben nicht reicht, bekommen sie zusätzlich Arbeitslosengeld II", so Grey. Auch Langzeitarbeitslose seien darunter. "Wir versuchen, die Frauen durch Coaching zu motivieren, sich auf den Arbeitsmarkt zu trauen", ergänzt Schüssler. Auch für eine Ausbildung sei es nie zu spät. "Die Zeiten, wo man mit 40 keinen Job gekriegt hat, sind vorbei."

Trotzdem muss sich im Hinblick auf flexible Arbeitszeiten noch einiges ändern. Der Bereich Pflege, in dem besonders stark über Arbeitskräftemangel geklagt wird, scheint jedenfalls wenig flexibel zu sein. "Das wäre ein interessantes Feld für uns, wenn die Arbeitszeiten familienfreundlicher wären", sagt Bettina Grey. Man könne nicht vernünftig erklären, warum Pflegebedürftige unbedingt früh um sechs Uhr geweckt werden müssen, meint sie.

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