Mit dem Blick aufs Handy durchs Erlanger Kunstpalais

5.2.2016, 16:00 Uhr
Mit dem Blick aufs Handy durchs Erlanger Kunstpalais

© Foto: Mößler-Rademacher

Jubel auf Twitter! „Erlangen rulez“ ist auf dem Account der Stadt zu lesen. Denn im Laufe des „TweetUp“-Rundgangs im Palais Stutterheim hat es das Kunstpalais bis in die Trend-Charts der Internet-Plattform geschafft. „#Kunstpalais“ rangiert kurzzeitig auf Platz drei. Knapp hinter den Top-Themen „#AlkoholPolitiker“ und „Bargeld“, aber noch vor „#Bushido“. Auch die Künstlerin Carina Baron freut sich: „Endlich mal Kunst in den Trends!“

Tja. Es ist mächtig was los an diesem Abend in den Ausstellungsräumen am Marktplatz. Eine kleine Schar mit lockeren Fingern hat sich im Eingangsbereich zum Kunstpalais versammelt und lässt sich noch einmal kurz die „TweetUp“-Regeln erklären: „Bei dieser Führung filmen, fotografieren, schreiben und teilen die Teilnehmer ihre Eindrücke in Echtzeit via Twitter. Unter dem Hashtag „#kunstpalais‘“ können auch andere Twitter-User teilnehmen, um beispielsweise Fragen zu stellen und die Ausstellung zu kommentieren.“

Es ist gar nicht so einfach, sicher durch eine Ausstellung zu laufen, wenn man gleichzeitig mit seinem Handy noch die Eindrücke direkt in die Welt hinaus-twittern möchte. Zunächst geht es in die Foto-Schau „Stillleben BRD — Inventur des Hauses von Herrn und Frau B.“

2014 wurde Christian Werner von einem alten Schulfreund gebeten, das Haus seines verstorbenen Großvaters zu fotografieren. Ein Mann, der 80 Jahre alt geworden war, seine Frau um einige Jahre überlebt hatte und die Spuren einer typisch provinziellen westdeutschen Nachkriegsbiografie in einer Anordnung persönlicher Dinge um sich herum hinterlassen hatte. Die „TweetUp“-Gemeinde staunt unter Anleitung von Milena Mercer, die als wissenschaftliche Volontärin am Kunstpalais arbeitet, über den Muff der alten BRD, der hier überall in kalt abfotografierten Bildern zu sehen. Hobby-Keller, Gardinen-Pracht, Gelsenkirchener-Barock-Schrankwände.

Wer es schafft, zu schreiben und gleichzeitig noch andere Tweets zu lesen, bekommt nochmal die Zusammenfassung, die Sammlungskuratorin Ida Neddermeyer verfasst, geliefert. „Christian Werner fotografiert mit starkem Blitzlicht: Objekte werden wie Stars in Szene gesetzt!“ Hatte das jetzt bereits schon Mercer gesagt oder ist das eine neue Information? So ein „TweetUp“ kann manchmal ganz schön verwirren.

Einer der Teilnehmer hat eine Werner-Aufnahme abfotografiert, auf der eine Sonntagsschrift-Liste mit den Fernbedienungs-Platzierungen der Fernsehprogramm von „Das Erste“ bis „MDR“, die auf dem Sofatisch lag, zu sehen ist. „So ne Liste hatte mein Opa auch.“ Kurz darauf lacht er auf: „Gerade hat einer retweetet, dass es sich hier nicht um die alte BRD handeln kann. Denn DSF sei erst 1993 auf Sendung gegangen.“ Okay, es stimmt also, dass unter „#kunstpalais‘“ auch nicht anwesende Twitter-User teilnehmen können, um zu kommentieren.

Das „V - Studentenmagazin“ freut sich über das abgelichtete Schild „Ich will lieber Feste feiern als feste arbeiten“ und schreibt: „Ein Thema der Ausstellung, ein Motto für die Prüfungsphase?“

Dann geht es in den Keller zu „Aura“ von Lars Teichmann. Die großformatigen Bilder wirken. Das Handy-Gewische wird weniger. Die Rundgangsteilnehmer schauen mehr auf die Kunst, lauschen mehr den Erklärungen von Milena Mercer. Vermutlich hat der eine oder andere aber auch schon die ersten Ermüdungskrämpfe in den Fingern.

Denn ein „TweetUp“ ist kein Kinderspiel. Das muss auch Mercer eingestehen: „Das ist jetzt die dritte Führung dieser Art, die ich anbiete. Einmal war ich auch als Teilnehmerin dabei. Das ist viel anstrengender.“

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