Mit Nadel und Faden in die Vergangenheit

20.2.2010, 00:00 Uhr
Mit Nadel und Faden in die Vergangenheit

© Bernd Böhner

Katrin Kania näht. Das wäre nichts besonderes, aber sie fertigt mittelalterliche Kleider und Gewänder nach historischem Vorbild an. Das Herstellen von Kleidung war damals allerdings wesentlich schwieriger als heute, gab es doch noch keine Nähmaschine. Aber das betrachtet sie als Herausforderung.

Schon vor ihrem Studium interessierte sich die 30-Jährige für Living-History. «Ich bin dann in den Textilbereich geraten.» Ihr erstes selbst genähtes Stück war ein Gugel, eine Kopfbedeckungen aus dem Mittelalter.1998 fing sie dann an der Universität in Bamberg an Mittelalterarchäologie zu studieren. Für ihre Dissertation mit dem Titel «Konstruktion und Nähtechnik mittelalterlicher weltlicher Kleidung» erhielt sie 2008 den Soroptimistinnen-Preis. Diese Arbeit war die erste umfassende Untersuchung zu diesem Thema aus archäologischer Sicht, welche in diesem Frühjahr auch als Buch erscheinen wird.

Was macht die Faszination für mittelalterliche Kleidung aus? «Eine ganz interessante Mischung aus bekannt und völlig anders». Die Gewänder, die auf dem ersten Blick schlicht und einfach wirken, sind wesentlich praktischer als die meisten heutigen Textilien. So wurde direkt an der Person Maß genommen und somit saßen die Kleider perfekt. Und nach dem gleichen Prinzip fertigt Katrin Kania auch noch heute die Gewänder per Hand an.

Abnehmer sind nicht nur Privatleute mit einer Vorliebe für das Mittelalter, sondern auch Museen. Aktuell können zwei ihrer Arbeiten bei der Burgausstellung in Hartenstein betrachtet werden. Ob Vorderbahn oder Hals- und Ärmelausschnitt, alles wird auf den späteren Träger zugeschnitten. Simple geometrische Formen sind dann Grundlage für Stücke wie den Halbkreismantel. Die Anfertigung dieser Rekonstruktion nimmt viel Zeit in Anspruch. Ein einfaches Kleid braucht fast 25 Arbeitsstunden. Aufwändigeres kann schon einmal die dreifache Zeit dauern. Auch spielt der Stoff eine wichtige Rolle. Je feiner, umso langwieriger wird die Arbeit. Beim Brettchenweben benötigt sie sogar für ein paar Zentimeter fünf Stunden. Doch anhand historischer Quellen in Form von alten Schneiderrechnungen hat Katrin Karina herausgefunden, dass sie es mit ihren mittelalterlichen Kollegen zeitlich durchaus hätte aufnehmen können. Das Lernen der alten Nähte und Schnitte sei auch «gar nicht schwierig». Das Schneidern und Nähen bringt sie in kleinen Kursen gerne Interessierten bei. Ebenso hält sie Vorträge um dieses Handwerk zu erklären.

Die Muster und Schnittvorlagen entnimmt sie dabei Büchern und den wenigen erhaltenen Stücken aus der damaligen Zeit. Doch gerade bei Letzteren ist es schwer, gut erhaltene Stücke zu finden. «Der typische archäologische Textilfund ist briefmarkengroß und braun» Das heißt aber nicht, dass die Kleidung im Mittelalter ebenfalls so farbentrist war. Durch die lange Lagerung im Boden verfärben sich die Textilien. Verschiedene Stoffe und auch Färber sorgten schon damals für den passenden Ton an den Gewändern. Aber die schlechte Quellenlage macht auch die Faszination für Katrin Kania aus. Mit einem Lächeln sagt sie: «Das macht es nur spannender». BJÖRN BISCHOFF

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