Möhrendorf: Höhenflug mit Sauerstoff

12.6.2016, 07:00 Uhr
Möhrendorf: Höhenflug mit Sauerstoff

© Dieter Köchel

„Wissen Sie, ich habe lange Jahre bei Siemens gearbeitet und war dort verantwortlich für lebenserhaltende Systeme im Medizintechnik-Bereich“, erzählt Klaus Voll, Seniorchef und Gründer von EMS. Schon während seiner Zeit bei Siemens ist er der genehmigten Nebenbeschäftigung nachgegangen, „innovative Nischenprodukte zu entwickeln, die für Siemens nicht interessant waren“.

Und das kam so: Auf einer Tagung in der Schweiz begegnete Klaus Voll einem Arzt, zugleich begeisterter Taucher und Funktionär in einem Tauchverband. Der wünschte sich ein leichtes Gerät zur Rettung von Tauchern, die an der Dekompressionskrankheit leiden. „Am besten ist da 100 Prozent Sauerstoff“, weiß Voll. Und entwickelte ein Sauerstoffsystem für Notfälle beim Tauchen „Wenoll“.

Die Nische entwickelte sich schon nach einigen Jahren so gut, dass Klaus Voll von Siemens ließ und sich selbstständig machte, unterstützt von seiner Frau Karin. Das Wenoll-System wird heute vielfach von Berufstauchern verwendet, ist gefragt bei Marine (Royal Netherlands Navy), Wasserwacht, DLRG, Wasser- und Schifffahrtsämtern, Küstenwache aber auch Offshore Windparks.

Ein Vorteil des Wenoll-Systems ist laut Klaus Voll, dass die Patienten mit warmem, feuchten Sauerstoff versorgt werden. „Das hilft gleichzeitig, die Unterkühlung von innen heraus zu bekämpfen.“ Deshalb ist diese Sauerstofflösung auch zur Behandlung der Höhenkrankheit geeignet — ein Thema, das Klaus Voll als begeisterter Bergsteiger selbst brennend interessiert, aber auch einschlägige Profis wie die Bergwachten oder den DAV Summit Club. Dass es hilft, hat Klaus Voll im Himalaya an einem Norweger ausprobiert, der mit Höhenkrankheit im Hillary Hospital lag, an ein Sauerstoffgerät mit defekten Ventilen angeschlossen. „Das heißt, der hat die Umgebungsluft eingeatmet.“ Deshalb ist Voll losgezogen und hat sein Sauerstoff-System geholt, den Norweger eineinhalb Stunden damit beatmet. „Dann ging es ihm deutlich besser.“

Inzwischen hat Klaus Voll, der im Betrieb seit einigen Jahren auch von Sohn Martin und Tochter Kathrin unterstützt wird, auch ein Circle Pack entwickelt, das speziell auf die Höhen- und Expeditionsmedizin zugeschnitten ist. Bei einem Gewicht von 1,6 Kilo kann das System 7,5 Stunden lang 100 Prozent warmen, feuchten Sauerstoff bereitstellen.

Der Möhrendorfer Spezialist für Sauerstoffversorgung im Notfall ist jedoch nicht nur für Extremsportler aktiv. Seine Firmenmaxime „Innovation und Qualität“ gilt auch und besonders für den klinischen Nutzen seiner Produkte im Alltag. Deshalb gibt es von EMS Sauerstoffgeräte für Menschen mit Atemwegserkrankungen für zuhause.

Besonders erfolgreich hat sich in den vergangenen Jahren aber das Wenoll-System in der Luftfahrt gezeigt. Auch das Bedürfnis von Menschen mit Lungen-Basiserkrankungen nach Mobilität ist gewachsen. Früher, erinnert sich Klaus Voll, war das ein riesiger Aufwand. Der Startenor Luciano Pavarotti etwa habe bei Flügen drei Sitze buchen müssen, um neben sich die Beatmungsgeräte und Sauerstoffflaschen unterzubringen. Hier kam EMS mit einem System auf den Markt, das Handgepäckgröße hat und unter dem Sitz des Vordermannes im Flugzeug verstaut werden kann.

Damit hat EMS eine Reihe großer Fluggesellschaften als Partner gewonnen, darunter Lufthansa, Air France, KLM und Air Berlin. Die Fluggesellschaften kaufen das Wenoll-System und vermieten einen Wenoll-Koffer an einen Flugpassagier. Ist er benutzt, geht der Wenoll-Koffer zurück nach Möhrendorf, wo er gereinigt, neu befüllt und versiegelt wird. Allein Lufthansa hat zirka 2000 Passagiere pro Jahr, die Sauerstoffgaben beim Flug benötigen.

Wenoll-Systeme werden aber auch in der Luftrettung eingesetzt, etwa in ADAC-Helikoptern und anderen Luftrettungsdiensten. Damit nicht genug, werden Sauerstoff-Systeme aus Möhrendorf auch von Rettungsprofis am Boden verwendet, von Rettungswagen des Roten Kreuzes ebenso wie in denen des ASB oder der Malteser. 

Dass die Firma trotz der vielen und bedeutsamen Kunden mit sieben Mitarbeitern so klein ist, begründet Martin Voll: „Wir haben keine ,Blaumänne‘’. Wir entwickeln Ideen, für die wir Firmen suchen, mit denen zusammen wir daraus das Produkt entwickeln“.

Dass das Unternehmen 2017 trotzdem mit einer Aufstockung um zwei bis drei Mitarbeiter plus einem Auszubildenden plant, bedeutet, dass das Geschäft floriert, weil die Kunden augenscheinlich zufrieden sind. „Es macht uns stolz“, freut sich deshalb auch Klaus Voll, dass wir noch nie einen unserer Kunden verloren haben.“

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