„Neues Bewusstsein fördern“

17.12.2011, 00:00 Uhr
„Neues Bewusstsein fördern“

© Karlheinz Daut/privat

Die Regale der Buchhandlungen quillen über mit Kochbüchern. Weshalb haben Sie mit „Gscheitgut“ noch ein weiteres herausbringen müssen?

Michael Müller: Es ist ein sehr spezielles Kochbuch. Keines, das sich in ganz Deutschland verkauft, sondern nur hier im Raum Nürnberg, Fürth, Erlangen, Bamberg. Bei diesem Projekt geht es nicht um eine hohe Auflage, sondern es soll der Gastronomie einen Schub geben. Gerade in einem Gebiet, in dem viele Gaststätten bereits zugemacht haben. Es soll aber auch ein Umdenken bei denen bewirken, die keine regionalen Produkte anbieten. Da stehen zum Teil irgendwelche Apfelsäfte aus irgendwelchen Großkellereien auf der Karte — vielleicht noch aus China, dem größten Apfelsaftexportland. Wenn Gastwirte schon schöne Wirtschaften betreiben, dann sollten sie doch den naturtrüben Pretzfelder Saft ausschenken!

Das Buch setzt inhaltlich ganz besondere Schwerpunkte...

Corinna Brauer: Saisonal und regional — das ist der Leitfaden für dieses Buch. Es ist wichtig, dass man sich wieder auf die Regionalprodukte besinnt. Wir haben so tolle Sachen vor der Tür, die Kartoffelsorte Bamberger Hörnla oder den Spitzwirsing. Oder mit Schwarzwurzeln kochen. Es gibt viele Rezepte, die heute nicht mehr gängig sind. Wir haben versucht, dies mit dem Kochbuch wieder ein bisschen aufleben zu lassen.

Im Buch wird die „Suche nach dem Geschmack der Jugend“ erwähnt. In den 70er und 80er Jahren waren aber die Ausflugslokale der Fränkischen Schweiz berüchtigt für Gurken und Karotten aus der Dose und Braten mit Maggi-Soße...

Müller: Wenn ich an die Kindheit denke, dann hauptsächlich an mein Zuhause oder an die Großmutter. In die Wirtschaften sind wir damals praktisch nie gegangen. Nur zur Kirchweih. Da gab es dann schon unverfälschte Spezialitäten. Aber die Ansprüche sind natürlich heute gestiegen. Wenn Sie an der Autobahn Schilder wie „Genussregion Oberfranken“ lesen, bezieht sich das hauptsächlich aufs Bier. Das ist ja wirklich unschlagbar. Aber der Genuss in den Wirtschaften, der fehlt halt zum Teil noch. Das Ziel unseres Portals und des Kochbuchs ist, dass sich etwas bewegt.

War es schwierig, Gastwirtschaften zu finden, die Wert auf die Kriterien Regionalität, Frische und Qualität legen?

Brauer: Das war schon eine Herausforderung. Wir haben bei 150 Gaststätten nachrecherchiert, ob die Interesse haben. Ob sie Regionalprodukte verwenden. Die Resonanz war schon gering. Es war schon nicht leicht, jemanden zu finden, der wirklich seine Soße noch selber macht. Der eben nichts anrührt. Unser Projekt muss ja auch transparent sein. Ja, leicht war’s nicht. Aber wir haben eben doch Gaststätten gefunden. Bei den 19 im Kochbuch, da kann man sich verlassen: Die kochen wirklich, die machen alles noch mit der Hand.

Gab’s bei den Rezepten totale Überraschungen und Aha-Erlebnisse?

Brauer: Das mit den Innereien hat mich überrascht. Wie vielfältig das sein kann. Viele ekeln sich vielleicht vor Innereien. Dabei sind diese doch sehr gesund, wenn man gute Qualität nimmt.

„Neues Bewusstsein fördern“

Gibt es in Franken einen Auslöser für die Rückbesinnung auf Regionalität und Qualität in den „normalen“ Gaststätten?

Müller: Das ist eine schleichende Entwicklung. Hans Peter Siebenhaar, einer der Autoren unseres Fränkische-Schweiz-Führers, hatte schon früher davon geschwärmt, dass Mainfranken gastronomisch schon viel weiter entwickelt sei. Wein und etwas anspruchsvollere Küche passen scheinbar besser zusammen als Bier und anspruchsvollere Küche. Gerade bei uns in der Region und in der Fränkischen Schweiz bestand ein Nachholbedarf. Doch seit einiger Zeit ist vieles in Bewegung gekommen.

Brauer: Seit einigen Jahren geht es so richtig los bei uns. Nicht zuletzt, seit sich die Metropolregion Nürnberg den Themen Regionalprodukte und Genussregion angenommen hat. Aber ich beobachte auch beim Verbraucher ein Umdenken. Das dauert aber überall ein bisschen länger, eh man sich wieder auf Regionalprodukte besinnt. Es ist ein langsames, aber beständiges Umdenken, das eingesetzt hat. Nun fragen Gäste in einer fränkischen Gaststätte schon mal nach, ob es einen Pretzfelder Direktsaft oder andere Produkte aus der Region gibt.

Müller: Wir haben hier eine Kettenreaktion, die in Gang gesetzt werden muss. Zunächst muss eine gewisse Nachfrage vorhanden sein, dann stellt sich der Markt darauf ein. Viele Gastronomen sagen uns: Wir würden auch mehr regionale Produkte abnehmen, aber es gibt zu wenig Landwirte, die noch Viehzucht betreiben. Stattdessen werden riesige Flächen zusammengefasst, auf denen dann Mais und Getreide oder vielleicht ein bisschen Kartoffeln angebaut werden. Aber die Vielfalt auf der Erzeugerseite, die gibt es eben auch nicht mehr. Zumindest durch die Bio-Bauern hat eine Trendwende eingesetzt. Das Angebot wird breiter. Wir wollen mit „Gscheitgut“ einen Anstoß geben, dass eben solche Bedürfnisse geweckt werden und das regionale Angebot größer wird.

Welches ist Ihr Lieblingsrezept im „Gscheitgut“-Kochbuch?

Brauer: Meines ist die Kartoffel-Wirsing-Roulade. Die ist vom Gasthof „Drei Linden“ aus Bärnfels. Das ist eine wunderbare vegetarische Variante.

Müller: Ich bevorzuge Sauerbraten.

Auch selbst gekocht?

Müller: Also ich bin kein großer Selbstkocher. Das muss ich zugeben. Zu aufregend. Da baut sich so ein Erfolgsdruck auf. Der Genuss stellt sich bei mir beim Verzehr ein, nicht beim Herstellen.

Mehr Informationen in unserer Rubrik Essen und Trinken!

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