Nicht genug Freiwillige in Erlangen

28.3.2017, 11:00 Uhr
Nicht genug Freiwillige in Erlangen

© Harald Sippel

Uta Zettl läuft die meterlangen Regale ab, links und rechts türmen sich Berge von Büchern. Ein wenig muss sie selbst noch nach den richtigen Bänden suchen, wenn sie die Leseratten in der Stadtbibliothek mit neuem Stoff versorgt. Schließlich arbeitet die Rentnerin erst zum zweiten Mal in ihrem neuen Job. Denn: Uta Zettl ist eine von rund 150 Bürgern, denen die Erlanger Freiwilligeninitative jedes Jahr ein Ehrenamt verschafft. Seit zehn Jahren vermittelt die ERFIN Freiwillige an Vereine, Verbände und Organisationen, die händeringend Hilfe suchen.

Viele Vereinigungen melden sich regelmäßig bei der Vorsitzenden Sabine Heinze und ihrem siebenköpfigen Team. Auf der anderen Seite kommen hunderte Erlanger auf die ERFIN-Mitarbeiter zu, um zu fragen, wo sie sich einbringen können. Das kleine Büro im dritten Stock des Rathauses ist die Schnittstelle zwischen Helfern und Suchenden.

Doch warum gehen Ehrenamtliche nicht selbst zu einem Verein? "Wir haben hier über 500 Vereine. Die Menschen sind überfordert, selbst wenn man schon weiß, in welche Richtung es gehen soll", erklärt die Vorsitzende Sabine Heinze. "Die meisten haben schon eine gewisse Vorstellung – etwa dass sie mit Kindern arbeiten wollen. Manche haben sich gar keine Gedanken gemacht".

Kein Problem für das ERFIN-Team: Mit Fragebogen und in Gesprächen fischen sie nach den Interessen derjenigen, die sich engagieren wollen. Ist die eigentliche Leidenschaft aufgedeckt, suchen die Vermittler nach passenden Organisationen und Vereinen, die dringenden Bedarf gemeldet haben.

Sobald der Kontakt hergestellt ist, zieht sich die Initiative zurück. Nach einigen Wochen fragen die Mitarbeiter nochmal nach, wie den Helfern ihre neuen Aufgaben gefallen.

Die Ehrenamtlichen, die sich bei ERFIN melden, lassen sich in drei Gruppen einteilen: Rentner, Studierende und Geflüchtete. "Viele Flüchtlinge möchten ein Ehrenamt ausüben, um besser Deutsch zu lernen", so Heinze. "Sie wollen nicht tatenlos rumsitzen, sondern mit anpacken".

Neue Homepage

Studierende wollen oft für kurze Zeit – etwa in den Semesterferien — helfen, während Rentner eine Beschäftigung suchen, die ihr Leben über Jahre ausfüllen soll. Genau aus diesem Gedanken ist die Freiwilligeninitiative entstanden. "Ich wollte wissen, wo ich mich einbringen kann, damit ich mit der Rente nicht in ein schwarzes Loch falle", erinnert sich Hildegard Melcher-Heil, die ERFIN 2007 mitgegründet hat und heute noch mit Begeisterung für die Initiative arbeitet. Da ihr niemand in Erlangen so recht eine Antwort geben konnte, erschuf sie mit einem Team die erste Ehrenamtsvermittlung der Stadt, aus der später ERFIN hervorging.

Und die kommt an: An drei Tagen in der Woche arbeiten die ehrenamtlichen Mitarbeiter, um jedem Engagierten seinen Traum vom Helfen zu ermöglichen. Noch dieses Jahr soll eine neue Homepage an den Start gehen, wo die Erlanger online einen passenden Verein finden können. "Wir haben noch viele weitere Projekte im Kopf, die wir umsetzen möchten", erklärt Sabine Heinze. Doch die ERFIN steht vor einem großen Problem: Der Nachwuchs fehlt. "Wir sind sehr arm an Mitgliedern. Wir brauchen dringend frisches Blut, wir brauchen Mitstreiter!", appelliert die Vorsitzende.

Denn die Zahl ihrer Klienten ist groß: 

Obwohl Erlangen als Pendler- und Studentenstadt in einer besonderen Situation sei, "haben wir ganz hervorragende Zahlen. Ich wundere mich immer, dass wir mit anderen Städten mithalten können", so Heinze.

Seit kurzem reiht sich auch Uta Zettl in die Reihen der Erlanger Helfer ein. Sie habe einfach nach einer Beschäftigung gesucht, erklärt die Rentnerin. "Ich bin von Büchern umgeben, das macht mir Spaß". Sie kann sich aber auch vorstellen, sich woanders zu engagieren.

Wenn ihr Mann nicht mehr arbeiten muss, will er bei der Tafel helfen. Vielleicht schaue sie sich das auch mal an. Diese Einstellung haben viele, haben Sabine Heinze und ihr Team beobachtet. Die Erlanger wollen helfen – wo ist fast egal.

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