PC statt Patient: Arbeit eines Erlanger Pflegers

25.2.2015, 06:00 Uhr
PC statt Patient: Arbeit eines Erlanger Pflegers

© Giulia Iannicelli

Carsten Willin-Fuhrmann hat Feierabend. Es ist kurz nach zwei Uhr nachmittags. Gerade hat der stellvertretende Pflegeleiter der gefäß- und thoraxchirurgischen Station des Erlanger Uniklinikums noch Patienteninformationen an den Spätdienst weitergegeben und die letzten Details in seinen Akten vermerkt, dann macht er Schluss – bis zum nächsten Morgen, pünktlich um sechs Uhr.

Mit den verschiedenen Schichten hat der Kranken- und Gesundheitspfleger keine Probleme. Im Gegenteil. Gerade im Sommer genießt der Motorradfahrer die frühen Anfangszeiten. Ohnehin ist der 45-Jährige mit seinem Berufswunsch, der im Zivildienst erwacht ist, auch nach 20 Jahren immer noch zufrieden: „Die Arbeit mit Menschen gefällt mir“, sagt er, „vor allem dann, wenn man sie so ausüben kann, wie man sie gelernt hat.“

Zu den rein pflegerischen und medizinischen Tätigkeiten gehöre auch, sich mal mit den Patienten zu unterhalten, sich ein paar Minuten zu nehmen. Die Kranken nämlich, berichtet Willin-Fuhrmann, würden sehr schnell merken, wenn das Personal keine Zeit hat und gehetzt ist. Und genau das, erzählt der stellvertretende Pflegeleiter, ist immer öfter der Fall. Auch in der Erlanger Uniklinik, auch auf seiner Station. „Die Arbeitsabläufe sind mehr geworden.“ Immer häufiger sitze er statt an einem Krankenbett zu Dokumentationszwecken am PC. Die Aufenthaltsdauer der Kranken in der Klinik wird kürzer, doch die Zahl der Patienten steigt.

34 Betten hat die Abteilung; rund 30 Mitarbeiter in der Pflege, inklusive Hilfskräfte, müssen die Station am Laufen halten. Oft brauchen die Patienten, etwa nach Eingriffen an den Schlagadern oder bei Lungenkrebs, eine intensive Überwachung, was wiederum mehr Personal bindet. In der Pflege aber werde schon lange nicht mehr aufgestockt, sondern nur noch abgebaut, kritisiert Personalrätin und ver.di-Vertrauensfrau Ines Meissner (siehe links stehenden Artikel).

Einen Bemessungsschlüssel, wie viele Pflegekräfte auf einer Station sein müssen, gibt es nicht. Die Stationen arrangieren sich, so gut es eben geht. Auf der Station von Carsten Willin-Fuhrmann sollen früh mindestens vier Pflegekräfte, nachmittags mindestens zwei und im Spätdienst mindestens drei im Einsatz sein.

Etwa elf Patienten kommen im besten Fall auf eine Pflegekraft. „Was aber, wenn jemand krank wird und andere im Urlaub sind“, fragt Willin-Fuhrmann rhetorisch. Die meisten würden dann auf ihren freien Tag verzichten, „schon deshalb, weil sie wissen, wie es ist, wenn der Engpass das nächste Mal sie trifft.“

Fehlendes Personal ist das eine, das Gehalt das andere. Auch Willin-Fuhrmanns Ehefrau ist Krankenschwester, das Paar hat keine Kinder: „Als Doppelverdiener kommen wir gut über die Runden“. Wenn aber Nachwuchs da wäre und einer der beiden Stunden reduzieren müsste, würde es eng werden. „Ich finde, dass man in der Krankenpflege zu wenig verdient, gemessen an der Verantwortung.“

Eine Folge der schlechten Bezahlung beobachtet Willin-Fuhrmann schon seit Längerem: „Immer mehr kehren dem Beruf wieder schnell den Rücken“, erzählt er. Andere würden sich, etwa in der ambulanten Krankenpflege, selbstständig machen oder weiterbilden. Diese Entwicklung sei angesichts der demografischen Entwicklung fatal und verschärfe den Pflegenotstand, glaubt der Erlanger.

Politiker würden zwar öffentlich gerne den Wert von Alten- und Krankenpflegern loben, aber an den Arbeitsbedingungen nichts ändern. Daher hofft er in der aktuellen Tarifrunde auf die Durchsetzungskraft von ver.di. Wenn es sein muss, auch mit Warnsteiks. Carsten Willin-Fuhrmann wäre dabei — und die Versorgung der Patienten gesichert.

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