Poetenfest Erlangen: Haikus treffen HipHop

27.8.2015, 07:12 Uhr
Poetenfest Erlangen: Haikus treffen HipHop

© F.: Daniel HD Schröder

Seit einigen Jahren bildet die „Bayern 2-Nacht der Poesie“, die live im Bayerischen Rundfunk übertragen wird, den Auftakt zum Erlanger Poetenfest. Der besondere Reiz der Veranstaltung liegt darin, dass der Abend – fast wie ein eigenes kleines Festival an einem Abend – einen unterhaltsamen und gleichzeitig informativen Überblick über die unterschiedlichsten Spielarten zeitgenössischer deutschsprachiger Lyrik bietet, kombiniert mit häufig überraschenden musikalischen Gästen.

Ein poetischer Grenzgänger ist der Dortmunder Kabarettist und Fußballfan Fritz Eckenga. „Draußen hängt die Welt in Fetzen, lass uns drinnen Speck ansetzen“ hieß die erste Sammlung seiner „Rettungsreime“, danach ging es mit „Prima ist der Klimawandel, auch für den Gemüsehandel“ rasant weiter bis zum „Fremdenverkehr mit Einheimischen“. Ob Politik oder Fußball – alles wird bei Eckenga zum Gedicht.

Bei Robert Schindel wird ebenso alles zum Gedicht, auch wenn er als Jakob-Wassermann-Preisträger eher für die ernsthaftere Seite der Poesie steht. Der „typische Schindel-Sound“, so die Bewunderer seiner Gedichte, sei zusammengesetzt aus Wiener Melange, jüdischer Litanei und deutscher Wortspielakrobatik, einem spannungsreichen Dreiklang, dem man sofort verfällt, wenn man sich ihm einmal ausgesetzt hat.

Trost der Dinge

Ein Star der deutschsprachigen Lyrik ist Matthias Politycki. Für die 111 Gedichte in „Dies irre Geglitzer in deinem Blick“ hat er Tresenhocker und Dauergrantler zusammengerufen. Ein ganzes Panoptikum an lyrischem Personal feiert sein Weltgericht in freien und gebundenen Versen, in Balladen, Sonetten, Liedern oder Haikus.

Sie erzählen vom böhmischen Wind, vom Trost der Dinge und vom Soundtrack des Frühlings. Barbara Köhler, 2009 für ihre Gertrude Stein-Übersetzungen mit dem „Erlanger Literaturpreis für Poesie als Übersetzung“ ausgezeichnet,  antwortet mit „Istanbul, zusehends“, der Nahsicht einer Dichterin auf eine Stadt.

Farben, seltsame Blumen, Spuren und Zeichen, das Fremde der Sprache, Worte und Blicke. Köhler gilt als begnadete Worterfinderin, genauso wie die junge Carolin Callies, die mit ihrem Buch-Debüt „fünf sinne & nur ein besteckkasten“ für Aufsehen sorgt. In ihren Gedichten geht es jedoch nicht edel und erhebend zu, sondern eher schmerzhaft und schockierend. Die alte Sprachordnung wird bei ihr aufgehoben, hier singt eine Dichterin lästerliche Lieder.

Musikalischer Gast bei der „Bayern 2-Nacht der Poesie“ ist in diesem Jahr der HipHop-Sänger Edgar Wasser, das „Deutsch-Rap-Indie-Phänomen der letzten Jahre“ (Nils Bokelberg auf VIVA). Mit feingeistigen und ironischen Raps, dabei bewusst Grenzen überschreitend, mit dem Mut anzuecken und den Zeitgeist der Lächerlichkeit preiszugeben, versetzt Edgar Wasser Kritiker und Fans gleichermaßen in Begeisterung.

 

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