"Raoline" in Bubenreuth: Relikt aus den 1960er

11.3.2017, 06:00 Uhr

© Foto: Heinz Reiß

Die Formen und das Design von Gebrauchsgütern ändern sich, wie die Mode, von Jahr zu Jahr. Zum einen aus Kostengründen und zum anderen bestimmt die moderne Technik das neue Aussehen. So wurde zum Beispiel das Wähltelefon durch ein Tastentelefon ersetzt, der Staubsauger erhielt ein modernes Outfit und die Stereoanlagen werden immer kleiner.

Selbst im Musikinstrumentenbau, wo das Auge beim Kauf ebenfalls entscheidend mitwirkt, haben sich moderne Formen auf einigen Gebieten durchgesetzt. Eine Form auf dem Musikinstrumentenbausektor ist aber über Jahrhunderte bis heute gleichgeblieben, die Form der Geige. Zwar unterscheidet sich eine Stradivari von einer Guarneri, aber die Merkmale sind so gering, dass sie dem Laien nicht ins Auge fallen. Trotzdem hat es auch hier schon Abweichungen gegeben.

Blüte des Abstrakten

In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts, dem Zeitraum der blühenden abstrakten Kunst, stellte die damalige Bubenreuther Firma Framus die sogenannte "Zoller-Geige" vor. Benannt nach dem Namen ihres Schöpfers war es eine runde Geige, wobei die Schalllöcher sich nicht in der Decke, sondern im umlaufenden Zargen befanden.

Dem damaligen Modetrend entsprechend meldete auch die Bubenreuther Meisterwerkstatt Ernst-Heinrich Roth ein modernes Streichinstrument mit dem Namen "Raoline" beim Deutschen Patentamt als Gebrauchsmuster an. Die Raoline, so ist der Anmeldung zu entnehmen, ist eine Geige abstrakter Art, mit dem Tonvolumen einer Stradivari-Geige. Das zehneckige Instrument entspricht in den Mensuren und Außenabmessungen ebenfalls einer Stradivari.

Leicht bespielbar

Der Vorteil der Raoline liegt in der leichten Bespielbarkeit, denn durch den schrägen Winkel des oberen Zargen ist das Lagenspiel sehr vereinfacht. Der eckigen Form sind auch die f-Löcher angepasst, sie sind kantig mit wegstehenden Quadraten. Entworfen haben das beim Patentamt registrierte Instrument die Geigenbaumeister Gottfried Raabs und Ernst-Heinrich Roth.

Eine große Stückzahl, so Firmeninhaber Ernst-Heinrich Roth, wurde bis heute nicht gebaut. Es gibt aber trotzdem Musiker, die den abstrakten Formen aufgeschlossen gegenüber stehen, und sie kann heute noch in seiner Werkstatt bestellt werden.

Keine Kommentare