Schleifende Elektronik: Dillon im Markgrafentheater

23.4.2014, 11:39 Uhr
Schleifende Elektronik: Dillon im Markgrafentheater

© Horst Linke

Draußen klart der laue Frühlingsabend mehr und mehr auf, die ersten Sterne erscheinen am Firmament, Amseln singen ihr Gute-Nacht-Lied. Drinnen allerdings, im plüschigen, verdunkelten Rund des Markgrafentheaters, zieht dichter Nebel auf. Als man schon damit rechnet, dass jeden Augenblick die Rauchmelder piepen, hämmert stattdessen ein massiver, technoider Beat los, während ein großer, runder, wie eine riesige Pupille wirkender Scheinwerfer mit grellen Lichtstrahlen den künstlichen Dunst zerschneidet und den Schattenriss einer zierlichen Frauengestalt auf die Bühne zeichnet.

Imaginäres im Mittelpunkt

Nebel, Licht, Schatten und düstere Soundlandschaften: Dillon versteckt sich gerne in ihrer dunklen Welt, ihr Gesicht sieht man während der eineinhalbstündigen Show kaum. Nicht umsonst heißt ihr aktuelles Album „The Unknown“ und auch bei dessen Live-Umsetzung steht das Ungreifbare, das Unsichtbare, das Imaginäre im Mittelpunkt. Ihr musikalischer Partner Tamer Fahri Özgönenc inszeniert die Songs der jungen Berlinerin mit einer breiten Palette an Beats und Soundscapes als teils klaustrophobisch-beklemmende, teils melancholisch-sehnsüchtige Hörfilme, die von tastenden Nebelscheinwerfern und grellen Stroboskop-Blitzen optisch wirkungsvoll unterstützt werden: Da erklingen schleppende, verhallte Beats, wie von monströsen Maschinen in unterirdischen Hallen gestampft, dann wieder pocht der Rhythmus so trocken wie der Pulsschlag oder klackert wie das Fingerschnippen eines stählernen Roboters.

Inmitten all dieser kühlen Klangarchitektur klingt Dillons Stimme umso trauriger, brüchiger, verletzlicher, menschlicher. Auch ihr elektrisches Klavier setzt sie nur sparsam ein, tupft hier und dort ein paar reduzierte Akkorde in das Schleifen und Rauschen der Elektronik und entlässt ihre Gedanken über Liebe, Nähe, Verlust, Sehnsucht und Angst weitgehend schutzlos ins kalte Universum. Nur einmal taucht sie aus dem Dunkel auf und animiert das Publikum gar zum Mitsingen: So wird das schöne „Tip Tapping“ zum wärmsten und eingängigsten Moment des Abends. Dann taucht sie wieder ein ins schützende Schwarz, denn hinter ihrer Wand aus irrlichternden digitalen Klängen fühlt sie sich merklich sicherer. Natürlich würden viele von Dillons Balladen auch als konventioneller Piano-Pop funktionieren, doch gerade der Kontrast zwischen menschlicher Wärme und technoider Kälte macht ihre Musik interessant und einzigartig.

Als sie sich zum donnernden Schlussapplaus verbeugt und dabei Fahris Hand hält wie ein Rettungsseil, sieht man erst, wie schüchtern, ja fast ängstlich sie wirkt, wenn sie mal von vorne angestrahlt wird. Was ihre Performance umso schlüssiger macht.

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