Siemensianer hoffen auf Infos und werden enttäuscht

13.5.2015, 20:58 Uhr
Die Firmenspitze um Joe Kaeser kommt bei einer Siemens-Betriebsversammlung in Erlangen nicht sonderlich gut weg.

© dpa Die Firmenspitze um Joe Kaeser kommt bei einer Siemens-Betriebsversammlung in Erlangen nicht sonderlich gut weg.

Dietmar Neumann war Siemensianer. Bis vor wenigen Jahren. 2011 wurde sein Zweig, die frühere Siemens-Sektion IT Solutions und Services, verkauft. Jetzt heißt Neumanns Arbeitgeber offiziell Atos. Viel geändert hat sich – rein äußerlich – nicht: Der Betrieb sitzt noch in einem Siemens-Gebäude und die Mitarbeiter sind nach wie vor für die Datenverarbeitung des Weltkonzerns zuständig. Doch: Die Bezahlung ist schlechter – und soll in den laufenden Tarifverhandlungen nicht besser werden. Im Gegenteil.

Deshalb steht Neumann, der 2. stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, gestern Mittag mit einigen Dutzenden Beschäftigten an der Werner-von-Siemens-Straße und protestiert: gegen seine Firma, die ihren Angestellten eine Nullrunde präsentieren will, obwohl Atos nach Gewerkschaftsangaben 2014 einen Gewinn von weltweit 250 Millionen Euro gemacht hat.

„Das ist nicht gerecht“, kritisiert Neumann — und blickt dabei hinüber zum Siemens-Forum und dem so genannten Himbeerpalast, in dem die Verwaltung des Elektronikunternehmens sitzt. Natürlich verfolgt er die dortigen Entwicklungen, sagt er. „Bei den Siemens-Kollegen weht jetzt ein Wind, wie er bei uns vor einigen Jahren eingezogen ist.“ Das amerikanische Geschäftsverständnis, das der Vorstandsvorsitzende Joe Kaeser in den Betrieb hineingebracht habe, sehe Mitarbeiter als Kostenträger und nicht als Mensch.

Siemensianer hoffen auf Infos und werden enttäuscht

© Foto: dpa

Genau das denken nur wenige hunderte Meter entfernt Neumanns ehemalige Kollegen in der Heinrich-Lades-Halle. Während ein Teil der Atos-Belegschaft auf die laufende Tarifrunde in Nordrhein-Westfalen (der deutsche Hauptsitz ist Essen) aufmerksam macht, verfolgen rund 1500 Konzern-Angehörige die Betriebsversammlung in der Innenstadt.

Mit mehreren Bussen sind die Mitarbeiter von verschiedenen Standorten der Bereiche Energie-Management und PG (Power and Gas) zum Veranstaltungsort gebracht worden. „Das Interesse ist groß“, sagt Hans-Jürgen Hartung, der Betriebsratschef des Energietechnik-Geschäfts. So groß, dass die Mehrheit der Mitarbeiter tatsächlich mehr als vier Stunden in der Versammlung ausharrt. Fast niemand lässt sich den Auftritt der amerikanischen Energie-Chefin Lisa Davis entgehen.

Die Erwartungen an die 51-Jährige, die Mitglied des Vorstands ist, sind hoch — und werden bei etlichen Beschäftigten auch erfüllt. So loben viele, dass die Top-Managerin ihre Begrüßung auf Deutsch gehalten hat. Auch ihr Auftreten und ihr Charisma kommen gut an. „Sie ist sehr überzeugend“, sagt eine junge Frau, „so wie Amerikaner halt sind.“

Ein Mitarbeiter aus der Division Energiemanagement hält Lisa Davis für „sehr fachkompetent“, beklagt jedoch, dass sich das Klima in seiner Firma verändert habe. „Auf der einen Seite herrscht eine Hire and Fire-Mentalität und auf der anderen sollen wir so loyal sein wie zu Zeiten der alten Siemens-Familie.“

Einhellige Meinung

Viel Neues, so die einhellige Meinung der Beschäftigten, haben sie nicht erfahren. Dass der Konzern Kosten sparen will und Entlassungen drohen, sei doch bekannt, sagt ein Mann. „Wir haben keine Informationen erhalten, die nicht bekannt waren, dafür aber auch keine bösen Überraschungen erlebt.“

Diesen Eindruck hat auch Betriebsratschef Hartung. Er sieht im Gespräch mit unserer Zeitung sogar einen „Silberstreif am Horizont“ und hofft, dass bei dem geplanten Stellenabbau noch Korrekturen möglich sind. Zahlen aber nennt auch er nicht.

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