Spardorf: Schüler nehmen Menschenrechte persönlich

11.12.2016, 06:30 Uhr
Spardorf: Schüler nehmen Menschenrechte persönlich

© Foto: Jacqueline Neumann

In der Mittagspause entstand das Projekt um Sozialkundelehrer Christoph Wagner und die Schüler der Klassen 10 c und e des Emil-von-Behring-Gymnasiums in Spardorf. Dass das außerunterrichtliche Engagement keine Selbstverständlichkeit sei, betont Wagner bei der Eröffnung der Ausstellung, die die Schüler auf die Beine gestellt haben. In vier Gruppen eingeteilt, beschäftigten sie sich mit dem Leben des iranischen Menschenrechtlers Abdulfattah Soltani, der seit 2011 im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis inhaftiert ist. 2009 wurde er von der Stadt Nürnberg mit dem Menschenrechtspreis ausgezeichnet — und erhielt dafür zwei Jahre Haft in seinem Heimatland. Elf weitere Jahre folgten. Er sei eine Gefährdung für die nationale Sicherheit, hieß es. Mittlerweile wurde die Strafe auf zehn Jahre Freiheitsentzug reduziert. Dafür mitverantwortlich ist auch seine Tochter Maede Soltani, die sich aktiv von Deutschland aus für ihren Vater einsetzt. Vor den Schülern des Spardorfer Gymnasiums berichtet sie vom Schicksal ihres Vaters und von ihrem eigenen Leben. „Wenn wir über Menschenrechtsaktivisten reden, müssen wir im Hinterkopf behalten, dass sie nicht alleine sind. Sie haben Familien, Kinder, Freunde. Alle leiden mit“, erklärt sie der zehnten Jahrgangsstufe.

Während Soltani erzählt, ist es ungewohnt still in der Aula der Schule. Soltani, die von der Statur eher zierlich wirkt, ist eine Kämpferin. Sie kämpft für ihren Vater, für Regimekritiker weltweit und für die Menschenrechte. Was sie beschreibt, ist bewegend, emotional, aufreibend. So hat sie von ihrem Vater im Gefängnis Abschied genommen. Sie kann nur noch mit ihm telefonieren, wenn er medizinische Behandlung im Krankenhaus erhält. Dies bringt sie in ein innerliches Dilemma: „Manchmal wünsche ich mir, dass er wieder ins Krankenhaus kommt, damit ich mit ihm sprechen kann. Andererseits will ich natürlich nicht, dass mein Vater krank ist.“

Abdulfattah Soltani vertrat die Interessen von religiösen und politischen Minderheiten im „Gottesstaat“ Iran. Die islamische Regierung dort kennt keine Toleranz. Es herrscht ein Klima der Unterdrückung und Ungleichbehandlung. Anhand einer Grafik erklärt Maede Soltani den Schülern die Situation im Iran: Auf dem Bild liegt die gerechte Justitia samt ihrer Waage auf dem Boden. Sie wird von einem Mann geschlagen.

Auch die Schüler beschäftigen sich im Rahmen des Projekts mit dem Rechtssystem in der iranischen Theokratie, der Sharia. Weitere thematische Schwerpunkte sind neben der Arbeit und dem Wirken Soltanis auch der Prozess und die Haftbedingungen. Die Schüler erstellten dazu Modelle der kleinen Gefängniszelle, in welcher 24 Stunden am Tag das Licht brennt. Auch der Frage, wie von Deutschland aus geholfen werden kann, wird nachgegangen. „Es ist wichtig, Aufmerksamkeit für Herrn Soltani zu schaffen“, erklärt der fünfzehnjährige Schüler Luca Singer.

Genau eine derartige Aufmerksamkeit könnte Soltanis Haft verkürzen. Die Situation der Regimekritiker im Iran in die öffentlichen Wahrnehmung zu rücken, ist deshalb Sinn und Zweck der Ausstellung — und Herzensangelegenheit von Maede Soltani, die sich trotz allem ihren Optimismus bewahrt hat. Zum Abschluss zeigt sie den Schülern ein weiteres Bild, ein Hoffnungsbild, wie sie sagt. Darauf zu sehen ist ihre Mutter zu Besuch in Deutschland. „Dasselbe wünsche ich mir für meinen Vater“, sagt sie und zitiert — den Tag der Freilassung erwartend — Bertolt Brecht: „Die Nacht hat zwölf Stunden und dann kommt der Tag.“

Die Ausstellung kann noch bis Freitag ,16.12., in der Aula des Emil-von-Behring-Gymnasiums in Spardorf besucht werden.

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