Sportlerwahl: Der HC Erlangen beeindruckt

8.1.2017, 06:00 Uhr
Sportlerwahl: Der HC Erlangen beeindruckt

Die Saison war lang. Die Saison war hart. Und immer begleitet von diesem Druck. Er schlich sich in jedes Training in die Hiersemann-Halle an der Schillerstraße, er saß im Mannschaftsbus auf den Auswärtsfahrten, er begleitete Trainer Robert Andersson bei den Spaziergängen mit seinem Hund in Südschweden am Strand – und bei den Heimspielen in der Arena am Kurt-Leucht-Weg, da war er sowieso am allergrößten.

Nach dem märchenhaften Aufstieg zwei Jahre zuvor unter Trainer Frank Bergemann, der den Fusionsverein aus Handball-Gemeinschaft (HG) und Christlicher Sport-Gemeinschaft (CSG) binnen sechs Jahren aus der Regionalliga bis in die Bundesliga führte, befand sich der Handball-Club (HC) nach dem Abstieg am Scheideweg: Weiter den semiprofessionellen Weg mit ambitionierten Leistungshandballern aus der Stadt gehen, oder aber ein weitaus größeres, professionelles Bundesliga-Projekt lostreten?

Der HCE, den der Erlanger Rechtsanwalt Carsten Bissel, der heute Vorsitzender des Aufsichtsrates ist, mit wenigen Groß- und vielen Mittel- und Kleinsponsoren vom maroden, von der Insolvenz bedrohten Chaos-Klub zur erfolgreichen Marke etablierte, entwickelte sich auch sportlich phänomenal. Unter Trainer Robert Andersson, für den Bergemann in der Rückrunde des ersten Bundesligajahres Platz machen musste, nahm die Mannschaft Anlauf. Es gab nur ein Ziel: den Wiederaufstieg in die beste Liga der Welt. Der Druck war riesengroß, wäre es nicht gelungen, wäre der Verein, ja der Leistungshandball in der Region wohl gescheitert.

Doch mit dem erfahrenen Handball-Manager Stefan Adam und einer Generalüberholung des Kaders leitete der HC Erlangen dann eine ganz neue Zeit ein, eine, die nicht jedem sofort gefiel. Vielen Traditionalisten entfernte sich die Entwicklung zu weit von den Wurzeln, vom Kern dieser langen, besonderen Erlanger Handballgeschichte. Auch, weil der HCE längst auf Grund des ewigen Zögerns der Stadt für seine Heimspiele in die Nürnberger Arena umgezogen war.

Hier stellte er im Zweitligajahr nicht nur einen vorübergehenden Zuschauer-Weltrekord auf (8308 kamen gegen Tusem Essen), sondern überragte auch sportlich in allen Bereichen: Nikolai Link, der als Einzelspieler ebenfalls zur Sportlerwahl steht, wurde A-Nationalspieler, sechs Spieltage vor Rundenschluss stand der Aufstieg der Mannschaft fest, drei Spieltage vor dem Ende war der HCE Meister. Robert Andersson wurde von den Coaches der Zweitliga-Klubs zum Trainer des Jahres gewählt.

Bester Aufsteiger

Es war ein beeindruckender Siegeszug, natürlich. Der HCE war jedem Gegner individuell wie spielerisch wie taktisch überlegen. Aber die Erlanger Handballer schafften es bis auf wenige Ausnahmen auch, trotz aller Überlegenheit stets hungrig, demütig und fokussiert zu bleiben auf das große Ziel – stets bedroht vom riesengroßen Scheitern, das als schwerer Rucksack auf den vielen Rücken hing.

Zu Silvester, auch das gehört noch ins Sportjahr 2016, hat der HCE diese beeindruckende Entwicklung fortgesetzt. Er steht mit 18:18 Punkten auf Rang neun der Bundesliga. So gut war in den vergangenen zehn Jahren kein Aufsteiger. Und der HCE wäre nicht der HCE, wenn das nicht nur der Anfang des nächsten Kapitels wäre.

Keine Kommentare