Stadt Erlangen überträgt Gewobau Grundstücke

27.7.2017, 06:00 Uhr
Stadt Erlangen überträgt Gewobau Grundstücke

© Harald Sippel

Es ist ein "Megaprojekt". Mit diesem Wort beschreibt Kämmerer Konrad Beugel das, woran bei der Stadt seit März 2016 über ein Jahr lang gearbeitet wurde: die Ausgliederung von 149 städtischen Grundstücken auf einer Fläche von 377 000 Quadratmetern an die städtische Wohnungsbaugesellschaft. Geschätzter Wert: 170 Millionen Euro.

Es handelt sich um Erbbaurechtsgrundstücke, die fast alle heute schon mit Wohnungsblöcken der Gewobau bebaut sind. Jetzt sind die Grundstücke Eigentum der Gewobau. "Sie ist jetzt eine sehr proppere, wertvolle Tochter", sagt Beugel.

Wohnungsbau absichern

Der Stadtrat hatte in nichtöffentlicher Sitzung im März 2016 in einer Mehrheitsentscheidung der Verwaltung den Auftrag gegeben, dies in die Wege zu leiten und die Einlage der Stadt bei der Gewobau vorzubereiten. Zugrunde lag ein entsprechender Fraktionsantrag der SPD. Das Ziel: die geplante Wohnungsbauoffensive abzusichern. Man habe schließlich nach sehr intensiver Arbeit ein Konstrukt gefunden, so Beugel. "Es war viel", fasst er die zurückliegenden Bemühungen knapp zusammen. Im April 2017 erteilte der Stadtrat die Zustimmung.

Eigene städtische Mitarbeiter erarbeiteten dieses umfangreiche und komplizierte Konstrukt, dann zog man noch Hilfe von außen hinzu. Steuerberater befassten sich damit und schließlich auch die Regierung von Mittelfranken. Denn das, was Erlangen da macht, ist nach eigenem Bekunden offenbar neu — ein Weg, den noch niemand vorher beschritten hat. Andere Städte hätten sich bereits dafür interessiert.

Bei der Entscheidung habe man es sich nicht einfach gemacht, so Beugel. Doch bei der Auflistung von Für und Wider überwogen in den Augen der meisten Stadträte die Gründe, die dafür sprechen. Mit anderen Worten: Man habe die Risiken zur Kenntnis genommen, aber eben auch die Vorteile gesehen.

Das große Plus sei, dass die Stadt damit die Eigenkapitalbasis ihrer Tochter stärke, erörtert der Finanzreferent. Die höhere bilanzielle Eigenkapitalquote der Gewobau erleichtere die Verhandlungen mit den Banken. "Die Gewobau kann loslegen", sagt Beugel. "Sie hat Sachwerte bekommen und muss nun Kredite aufnehmen." Und noch etwas: Ohnehin könne man über Grundstücke, für die das Erbbaurecht gelte, nicht wirklich verfügen. Da könne man diese auch übergeben, "zumal das in der Familie bleibt".

Doch nicht nur das Eigenkapital der Gewobau wurde durch dieses Vorgehen erhöht, sondern auch das der Stadt. Und das, obwohl die Stadt Grundstücke weggibt? Kein Taschenspielertrick, versichert Beugel. Vielmehr erkläre sich das daraus, dass die Grundstücke bei der Stadt zu einem älteren Wert — aus dem Jahr 2009 — stünden, jetzt aber bei der Gewobau zum heutigen Wert eingelegt werden könnten.

"Diesen Wertsprung können wir auch in der städtischen Bilanz abbilden", sagt Beugel. Denn in der Bilanz sind dann zwar nicht mehr die Grundstücke aufgeführt, dafür sind aber die städtischen Anteile an der Gewobau (96 Prozent) im Wert entsprechend gestiegen. Der Finanzreferent versäumt nicht, darauf hinzuweisen, dass dies "die berühmte Win:Win-Situation" sei.

Eine Einbahnstraße

Und die Gründe dagegen? Das Ganze sei gewissermaßen eine Einbahnstraße, erklärt der Kämmerer. Zwar kann die Stadt die Grundstücke steuerfrei bei der Gewobau einlegen. Doch sollte eines Tages gewünscht werden, dies rückgängig zu machen, wäre das steuerpflichtig. Vielleicht aber noch wichtiger: Die Stadt hat keine Rückkaufrechte. Kein Problem, solange sie ihre Gesellschafteranteile — derzeit 96 Prozent (vier Prozent hält die Stadtsparkasse) — behält. Das darf sich allerdings nicht ändern.

"Was ist, wenn sich das aber doch irgendwann ändert?" Diese Frage wirft Frank Höppel im Gespräch mit den EN in den Raum. Der ÖDP-Stadtrat hatte dem Beschluss nicht zugestimmt. "Ich stimme nur bei etwas zu, das ich nachvollziehen kann", sagt er. "Das Ganze erscheint mir aber sehr undurchsichtig, und keiner konnte den Nebel durchlichten." Bisher seien die Grundstücke im Eigentum der Bürger gewesen und jetzt nicht mehr: "Ich habe nicht verstanden, warum das für die Stadt kein Risiko ist."

Seine Parteikollegin Barbara Grille befürchtet vor allem, dass es in Zukunft weniger Transparenz geben wird. Beugel glaubt hingegen nicht, dass sich hier viel ändern wird. Geplante Baumaßnahmen werden wie bisher zunächst dem Aufsichtsrat — überwiegend Stadtratsmitglieder — vorgestellt und danach im Bauausschuss behandelt. "Was mit den bisherigen Erbpachtgrundstücken geschehen soll, wird in Zukunft unter Umständen erst an die Öffentlichkeit kommen, wenn alles schon entschieden ist", meint dagegen Grille.

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