Tagung in Erlangen: Mehr Menschlichkeit am Lebensende

21.11.2014, 14:31 Uhr
Tagung in Erlangen: Mehr Menschlichkeit am Lebensende

© Archivfoto: dpa

Menschenrechte sind – im Prinzip – universell. Das weiß Heiner Bielefeldt, der Erlanger Lehrstuhlinhaber für Menschenrechte und UN-Sonderbeauftragter für Religionsfreiheit nur zu gut. Dennoch finden sich für den Experten immer wieder Bereiche, in denen das Thema bisher keine Rolle spielte. „Bis zur Behinderten-Menschenrechtskonvention hat es beispielsweise bis 2006 gedauert“, erinnert er sich.

In der Medizin gibt es zwar schon lange das Recht auf Gesundheit, dass niemand wegen seiner sozialen Herkunft von ärztlicher Behandlung ausgeschlossen werden darf. Auch die Situation in Pflegeheimen wird inzwischen unter menschenrechtlichen Aspekten beleuchtet; Tod und Sterben indes wurden in der Debatte bislang ausgeklammert. Gerade mit Blick auf die aktuelle Diskussion über Gerätemedizin und Sterbehilfe hat sich nun in Erlangen eine Experten-Gruppe aus Menschenrechtsexperten, Ethikern und Palliativmedizinern gebildet, die Menschenrechtsschutz und Lebensende besser vereinen will.

Mit Autorenlesung

Ein erster Schritt auf dem Weg der Zusammenarbeit ist die Tagung „Autonomie und Menschenrechte am Lebensende“, die heute und morgen mit prominenter Besetzung aufwartet. Neben Ärzten, Wissenschaftlern, Hospiz-Helfern sitzt unter anderem Dinah Radtke vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben auf dem Podium. Zudem liest die Autorin Katharina Hacker aus ihrem Buch „Die Erdbeeren von Antons Mutter“; darin geht es um die Krankheit Demenz.

Das Treffen im Kollegienhaus, darauf legt Bielefeldt im Gespräch mit unserer Zeitung wert, ist als „ explorativer Workshop“, als fortschreitender Prozess gedacht: „Noch sind wir ziemlich am Anfang, wir wollen zunächst schauen, wie wir die Disziplinen verschränken können.“ Auch wenn hinter dem wie noch ein Fragezeichen steht: Das was und warum dieser Kooperation haben Bielefeldt und seine Kollegen Andreas Frewer (Professor für Medizinethik) sowie Christoph Ostgathe (Lehrstuhl für Palliativmedizin) längst ausgemacht.

Dahinter steht die Überzeugung, dass auch am Lebensende eine angemessene Betreuung garantiert sein müsse, und zwar für jeden: „Es geht darum, in der schwierigen Phase des Sterbens, Menschenwürde zu garantieren, den Menschen nicht zum Anhängsel irgendwelcher Maschinen zu degradieren“, erläutert Bielefeldt.

Zu einem menschenwürdigen Abschied gehöre, den Sterbenden die Angst davor zu nehmen, dass sie in einem künstlichen Schwebezustand zwischen Tod und Leben gehalten würden: „Das“, betont Bielefeldt, „ist eine Horrorvorstellung.“ Wenn beim Sterben Menschenrechte mehr Geltung fänden, könnten Betroffene und Angehörige den Tod als „Sinn-Chance“ für sich nutzen — als Möglichkeit, Abschied zu nehmen. Dazu müssten aber Hospizversorgung und Schmerztherapie weiter ausgebaut werden.

Eben das hatte der Erlanger Palliativmediziner Christoph Ostgathe erst kürzlich in einem Gespräch mit unserer Redaktion gefordert. Man müsse den Menschen die Furcht vor Schmerzen, vor Luftnot, vor Vereinsamung nehmen, sagte er damals. Dazu seien eine gute medizinische Versorgung und eine aktive Sterbe-Begleitung zu gleichen Teilen vonnöten.

Sterben wird ausgelagert

An diese Mischung denken wohl auch Bielefeldt und seine Kollegen, wenn sie für mehr Menschenwürde — mehr Menschlichkeit — am Lebensende eintreten. Noch — und hier kommt das Warum, der Grund für die Initiative ins Spiel — sei Sterben ein Tabu, beklagt Bielefeldt, werde ausgelagert an den Rand des Bewusstseins, ja an den Rand der Gesellschaft.

Deshalb will die interdisziplinäre Gruppe in der derzeitigen Debatte über Sterbehilfe einen Kontrapunkt setzen. Der Begriff der Autonomie, findet der Menschenrechtler, werde oft verkürzt auf die Frage des assistierten Suizids, der Beihilfe zur Selbsttötung. „Diese Sicht“, sagt Bielefeldt, „ halten wir nicht nur für zu eng — sondern wirklich für fatal.“

Die Tagung findet heute und morgen, 21. und 22. November, im Senatssaal des Kollegienhauses, Universitätsstraße 15, statt. Interessierte können auch kurzfristig teilnehmen. Das Programm ist im Internet unter www.palliativmedizin.uk-erlangen.de zu finden.

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