Tauschring in Erlangen schützt auch die Umwelt

11.8.2016, 11:30 Uhr
Tauschring in Erlangen schützt auch die Umwelt

© Foto: Rainer Windhorst

Zu Beginn hat Christl Wiedemann-Drobny gar nicht an die Umwelt gedacht, zumindest nicht an die große ganze. Um ihre direkte Umgebung hingegen ging es ihr schon. „Es hat einfach in mir gebrodelt“, sagt die 63-Jährige. „Ich wollte etwas gegen diese Anonymität in der Gesellschaft unternehmen.“ Also hat sie vor sieben Jahren eine organisierte Nachbarschaftshilfe in Dechsendorf gegründet. Seit 30 Jahren wohnt sie dort.

„In Fürth gab es einen Tauschring, das habe ich als Gast erlebt.“ Die Begeisterung sei ansteckend gewesen. Schnell fand sich ein Team. Die Initiative hat eine Art soziales Netzwerk geschaffen, dessen Mitglieder auf freundschaftlich-nachbarschaftlicher Basis Gegenstände, Fähigkeiten und Kenntnisse austauschen — ohne kommerzielle Interessen. „Am Anfang war also der soziale Gedanke der Vernetzung.“ Die anderen positiven Aspekte hätten sich erst im Lauf der Zeit herauskristallisiert.

Markttreffen einmal im Monat

Etwa 110 Mitglieder hat der Tauschring, das Einzugsgebiet geht über Dechsendorf hinaus. Manche kommen auch aus Röttenbach, Hemhofen oder Höchstadt. In Bubenreuth hat sich nun ein Ableger gebildet. „Aber wir tauschen alle munter untereinander“, sagt Wiedemann-Drobny. Wichtig sei der persönliche Kontakt. Einmal im Monat, an jedem dritten Donnerstag, gibt es ein Markttreffen. Natürlich kommen nicht immer alle. „Aber am Anfang sollte man schon vorbeischauen.“ Für die Nachbarschaftshilfe kann man sich nicht einfach anonym im Internet anmelden. „Wir müssen Vertrauen zueinander aufbauen und sehen, ob es passt.“

Wenn es passt, dann kann man beim Tauschen mitmachen. Bei den Treffen bringen die Teilnehmer auch viele Dinge gleich mit. „Es gibt Pflanzen, Marmelade, zuletzt hatten wir einen Liegestuhl“, sagt Wiedemann-Drobny. Hinzu kommt auch allerlei Trödel und Kleidung. Nachdem sich jeder Teilnehmer vorgestellt hat, „startet das große Aufrumpeln. Alle gucken, was es so gibt.“ Die Angst, dass jemand nur Dinge nimmt, dafür aber nichts gibt, sei dabei völlig unbegründet. „Genau das Gegenteil ist der Fall. Viele müssen erst lernen, etwas anzunehmen.“

Ziel ist nicht, direkt etwas für einen Gegenstand zurückzugeben. Bezahlt wird in einer fiktiven Zeit-Währung, eine Stunde Arbeit entspricht zehn Talenten. Jeder Neuling bekommt zum Start 100 Talente. Dadurch ist es auch möglich, sich zum Beispiel ein Elektrogerät zu leihen, ohne schlechtes Gewissen, und dafür irgendwann selbst gemachte Marmelade zurückzugeben. „Jeder kann irgendetwas beisteuern“, sagt Wiedemann-Drobny.

Sie fährt manche Nachbarn zum Flughafen. Cornelia Kucich, ebenfalls aus dem Organisations-Team, hat durch die Mitglieder schon einmal ein komplettes Buffet auf die Beine gestellt. „Tauschen statt zu kaufen ist ein Trend, da sind wir gerne dabei“, sagt Wiedemann-Drobny. „Es ist toll: Wenn man etwas nicht mehr braucht oder es ein Fehlkauf war, kann man es weitergeben.“ Etwas wegzuwerfen kommt den Tauscherinnen nicht mehr in den Sinn.

„Dass der Tauschring mein Leben verändert hat, klingt ein wenig zu groß“, sagt Wiedemann-Drobny. „Aber es ist ein wichtiger Bestandteil. Und es ist nicht nur zweckmäßig.“ Kucich findet die Initiative immer noch „total klasse“. Das gilt besonders für die anstehende Veranstaltung, bei der auch Nicht-Mitglieder dabei sein können: dem Tauschrausch. Dort kann jeder Kleidung, Schuhe und Accessoires vorbeibringen und mitnehmen.

Wiedemann-Drobny wird natürlich dabei sein und — auch wenn sie es so nicht zugibt — ein wenig stolz das bunte Treiben ihrer Nachbarn beobachten. Viele von ihnen werden an diesem Tag wieder Hilfen und Lösungen für ihre Anliegen finden — und ganz nebenbei Klimaschutz leben.

Millionen ungenutzt auf dem Dachboden

Vieles, was gekauft ist, wird nur kurz oder selten benötigt. Pro Haushalt befinden sich im Schnitt ungenutzte Gegenstände im Wert von rund 1000 Euro. Diesen Wert nennt die Verbraucherzentrale Bayern. Laut Ebay liegen auf allen deutschen Dachböden alte Dinge im Wert von 35,5 Milliarden Euro. Alle Gegenstände haben bei ihrer Produktion Ressourcen verbraucht, die oft unter großem Energie- und Arbeitsaufwand abgebaut und der Natur entnommen werden.

Die Jagd nach Rohstoffen wird bis in den letzten Winkel der Erde und der Meere getrieben, die Verschmutzung von Böden, Wasser und Luft nimmt zu. Nach der Produktion reisen die Gegenstände dann meistens um die halbe Welt, werden gekauft und landen irgendwann einfach auf dem Müll.

Neben dem Vermeiden von Abfall und dem Erhöhen der Recyclingquoten ist es wichtig, den Kauf neuer Produkte einzuschränken, wenn dafür keine Notwendigkeit besteht. Um Ressourcen, Geld und Platz zu sparen, sollte man sich vor jedem Kauf fragen: Brauche ich das Produkt wirklich? Muss ich es neu kaufen? Schließlich gibt es oft sinnvolle Alternativen.

Alle Infos unter www.organisiertenachbarschaftshilfe.de

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