Von Puppen und Robotern: Das Figurentheater-Festival

23.5.2017, 13:15 Uhr
Von Puppen und Robotern: Das Figurentheater-Festival

© Foto: Erich Malter

Insgesamt 71 Künstler sind auf dem Festival vertreten, unter ihnen Maxim Isaev und Pavel Semchenko. Die beiden sind Akteure der russischen Gruppe "Akhe" und echte Vollprofis - oder heitere Schlitzohren: Da klatscht ihnen doch im zweiten Teil ihres Vierer-Zyklus "Between Two", aufgeführt wieder in der Thalermühle, eine Seiten-Spanplatten-Wand mit Mann und Maus aufs Pool-Wasser, aber die beiden Mimen wissen das grinsend in ihr Spiel einzubauen. 

Das aber natürlich ansonsten sehr ernst daherkommt, da es - wie in den Erlanger Nachrichten berichtet - eine ernste Thematik verfolgt: Das Tibetische Totenbuch, das von Seelenwanderung und Wiedergeburt handelt, wird hier bombastisch visualisiert. Im zweiten Teil geht man also wieder grob- wie feinmotorisch zur Sache: Lebensmittel werden zerschnitten, dekonstruiert, neue Dinge werden aus ihnen geschöpft, mit denen der eigene Körper dann umgestaltet wird. Dabei stehen die beiden Schauspieler den ganzen Abend über knöcheltief im Wasser - Symbol des Lebens, und das in der Zwischenwelt. Wünsche und Fragen nach dem Glück dürfen im Wechselspiel geäußert und auch beantwortet werden.

Babys aus der Mikrowelle

Es wird erneut viel gemalt, auch mit Blut, und viele Flüssigkeiten jedweder Couleur kommen zum Einsatz. Fragen nach den grundsätzlichen Dingen des Lebens enden als Fleischklumpen im Fleischwolf. Im nebelumhausten Stroboskoplichtgewitter löst man sich zu ohrenbetäubender Soundcollage dann ins Nichts auf. Die "Akhe"-Performance hat natürlich was, aber so langsam kennt man die Masche.

Die Babys kommen aus der Mikrowelle, und die selbstfahrenden Autos wägen bei Bremsdefekt ab, ob sie lieber an einem Baum zerschellen (nicht so gut, da ja der Fahrer viel Geld für diesen technischen Schnickschnack bezahlt hat) oder sich von einer "fetten Frau" (blöd wäre aber, wenn diese Frau gar nicht fett, sondern schwanger ist) stoppen lassen. Tja, in ein paar Jahrzehnten wird alles sein - zum Glück wagt "half past selber schuld" schon mal einen schrägen Blick in die Zukunft.

Von Puppen und Robotern: Das Figurentheater-Festival

© Foto: Erich Malter

Die Komponistin und Musikerin Ilanit Magarshak-Riegg und der Comic-Zeichner und Autor Frank Römmele alias "Sir Ladybug Beetle" haben für "Kafka in Wonderland" eine rasante Comic-Theater-Revue zusammen gestellt, die keine Sekunde langweilig ist. Geboten wird vom Team von "half past selber schuld" im Redoutensaal eine wilde Mixtur aus Puppenspiel mit Laterna-Magica-Elementen, Video-Einspielern, fetziger Musik und Späßchen à la "Monty Python’s Flying Circus". Das Publikum trifft auf eitle Kampfroboter mit künstlerischen Ambitionen, einen Jesus, der alle Verstorbenen begrüßt, die ihr Bewusstsein in eine Cloud hochgeladen haben sowie auf die dubiosen Mitarbeiter der Firma "Wonderland Inc.". Ein großer, greller Spaß!

Zwischen Albernheit und Abenteuer

"Nur" Szenenstudien: Selten so eine attraktive Hexe gesehen. Aber diese Hänsel und Gretel-Geschichte in den Glocken-Lichtspielen ist überhaupt ziemlich schräg und leider auch ziemlich albern. Und die davor gezeigte, interaktive Oldschool-Verbrechergeschichte mit Marionetten in der Guckkasten-Bühne ist lähmend langweilig. Die Theater-Fakultät der Akademie der Darstellenden Künste Prag hat ihren Studenten zwar das Rüstzeug in Sachen Objekt-Beherrschung mitgegeben, aber offenbar nichts in Sachen Timing und Dramaturgie einer Geschichte. Schade.

Von Puppen und Robotern: Das Figurentheater-Festival

© Foto: Georg Pöhlein

Wie schnell sich alles in einem Leben verändern kann, erlebt das Publikum beim "Theater Waidspeicher" mit ein paar schnellen Bewegungen. Kathrin Blüchert entfernt mit einem Wischmob die mit Kreide auf den Boden gezeichnete Heimat eines Mädchens. Denn "Toda" ist auf der Flucht vor dem Krieg. Aus der Perspektive dieses kleinen, tapferen Mädchens wird der abenteuerliche Weg ins Nachbarland erzählt.

Dieses Stück für Kinder ab acht Jahren ist eine Adaption des Romans "Als mein Vater ein Busch wurde und ich meinen Namen verlor" von Joke van Leeuwen. In der einfallsreichen Inszenierung von Susanne Koschig (die nach der Aufführung im Oberen Foyer des Markgrafentheaters zusammen mit der Schauspielerin noch Rede und Antwort stand) wird mit Blücherts einfühlsamen Puppenspiel die Geschichte poetisch und kindgerecht erzählt. Lehrreich, aber ohne moralischen Zeigefinger.

Terminator trifft Puppe

Von Puppen und Robotern: Das Figurentheater-Festival

© Foto: Malter

Okay, der Einstieg ist etwas abrupt, aber dann wird es spannend und sehr einfallsreich: In "Pinocchio 2.0" der Formation "manufaktor" wird Carlo Collodis Figur in einer nicht allzufernen Zukunft, in der die Menschen gegen die Roboter kämpfen, als solcher zum Leben erweckt. Terminator trifft Puppe im Oberen Foyer des Markgrafentheaters. Das Science-Fiction-Gepräge wird mit viel Liebe zum witzig-elektronischen Detail inszeniert: Fuchs und Katze sind zusammengelötete Gauner mit Computer-Stimmen, Pinocchio selbst wächst beim Lügen nicht die Nase, vielmehr leuchten seine Augen. Die drei Schauspieler verbinden Puppen- mit personalem Spiel und servieren das Ganze mit Humor, Maskerade, Lichteffekten und Typenkomik. Eine schöne und schön gelungene Melange, und auch im Jahr 2084 gibt es ein Happy-End.

Schattentheater ist eine uralte Kunstform, aber sie funktioniert auch heute noch auf beeindruckende Weise. Das "Schattentheater Levana-Schule Schweich" bewies das mit "Im Labyrinth des Minotaurus" im Experimentiertheater. Gut, wenn man die Altertumssage nicht kennt, wird es ziemlich schwierig, der Handlung zu folgen. Aber die Schüler mit Handicap verlegen sich sehr geschickt auf die Hervorbringung von Augenblicken, Stimmungen, Momenten. Und das auf vielfältige Weise - mittels Schatten - und Maskenspiels auf mehreren Leinwand- und Bildschirmebenen und Live-Saxofon-Musik.

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