Wie IT-kompatibel sind die Menschen eigentlich?

20.10.2017, 11:00 Uhr
Wie IT-kompatibel sind die Menschen eigentlich?

Die von Herbert Blank vom Seniorenbüro des BRK-Kreisverbandes Erlangen-Höchstadt gestellte Frage "Sind Senioren IT- kompatibel?" war bewusst provozierend gestellt: Muss sich die Spezies Mensch an eine Technologie anpassen, oder darf es noch andersherum sein? Im Laufe der Diskussion, die anlässlich des 20-jährigen Bestehens des SeniorenNetzes Erlangen (SNE) gemeinsam mit der Stadtbibliothek veranstaltet wurde, stellte sich auch sehr schnell heraus, dass "ins Netz" längst alle Generationen fest eingewebt sind und die Frage, ob der Nutzen die Risiken rechtfertigt, damit auch jedes Alter angeht.

Dabei hatte das SNE 1997 ebenso fortschrittsoffen begonnen wie heute Kinder mit dem IT-Zeitalter beginnen: neugierig, was die Technologie so zu bieten hat. Die Anfänge von SNE und IT bestanden darin, die Technik zu verstehen und anwenden zu lernen. Heute sind selbst in der Altersklasse 60 plus kaum noch rüstige Menschen ohne Computer und Smartphone anzutreffen – und ihre Probleme sind die selben, wie für alle anderen.

Das jedenfalls konnte Paul Held bestätigen, der als wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Lerninnovation an der Universität Erlangen die ersten Schritte des Seniorennetzes wissenschaftlich begleitete und das SNI bundesweit bekannt machte, bestätigen: Zwar sei das Internet ein großer Fortschritt, die immer komplexer werdenden Strukturen und Angebote lösten aber ein immer stärkeres Unbehagen aus, zudem werde die Technik anfälliger, und würden Sicherheitsaspekte immer wichtiger.

Der in Cadolzburg lebende Wissenschaftler hat eine "dramatische Entsozialisierung" festgestellt, die durch den Rückzug in den weltweit unbegrenzten, gleichwohl privaten Nutzungsraum des Netzes entstehe. Es fehlten zunehmend unmittelbare soziale Kontakte, was durch das Sterben nachbarschaftlicher Dienstleistungen (Tante Emma-Läden, öffentliche Dienstleister wie Post- und Bankfilialen) verstärkt werde.

Für Pfarrer Johannes Mann von der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde ist das Internet als "Fluch und Segen gleichermaßen" dabei, durch Reizüberflutung die Menschen am genauen Hinhören zu hindern, "die vielen neuen technischen Features mit Gott-ähnlichem Charakter" verstärkten die Tendenz, gerade Senioren einem gefährlichen und rücksichtslosen Innovationsdruck auszusetzen. In Würde alt zu werden, habe da kaum noch eine Chance.

Die Leiterin des Erlanger Kulturamtes, Anne Reimann, hat in ihrer Zeit als Leiterin der Stadtbibliothek kaum Unterschiede im Medienverhalten der Generationen festgestellt – "richtige" Bücher läsen alle Generationen. Nur bei Musik und Film setzten die Jüngeren aufs Netz, während Ältere "handfeste" Medien bevorzugten. Ihre Befürchtung bestehe darin, dass die Durchdringung der Arbeitswelt mit den neuen IT-Möglichkeiten immer mehr Menschen überforderten und abhängten. Sie hat zudem die Sorge, dass die Anonymität des Netzes so anonym nicht sei – dort viele (auch sehr private) Daten gespeichert würden, die dann keineswegs mehr privat blieben.

Dieser Sicherheitsaspekt bewegt aber neben Paul Held und Johannes Mann auch Christian Weigand, den Leiter Mobile Health Lab. beim Fraunhofer Institut für Informationssysteme. Er hat beobachtet, dass bei der Entwicklung und beim Einsatz von immer mehr – eigentlich nützlichen – Assistenzsystemen im Alltag auch immer mehr Vernetzungsprobleme auftauchten und die Nutzung derselben erschwerten. "Barrierefreie" Geräte mit intuitiver Bedienung seien also dringend notwendig.

Die Frage des Pfarrers am Podium, welche Zukunft erstrebenswert sei und wie die ethischen Grenzen unseres Lebensstils aussehen müssten, konnte ein Rat von Paul Held zumindest ansatzweise beantworten: Man solle mit Daten und Informationen sparsam umgehen und die Technik zwar nutzen, aber möglichst oft die eigenen Fähigkeiten bemühen.

 

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