Wie "Rettungsinseln" Frauen am Erlanger Berg helfen

22.1.2016, 06:00 Uhr
Wie

© Archivfoto: Klaus-Dieter Schreiter

Manchmal hilft auch einfach nur ein Stuhl. Ein Platz an einem sicheren Ort. Ein wenig Ruhe im erdrückenden Getümmel. Nach sexuellen Übergriffen, sagt Birgit Hartwig vom Notruf für vergewaltigte Mädchen und Frauen, könne das im ersten Moment schon ausreichen.

Die Bergkirchweih jedoch ist nicht wirklich bekannt für ruhige Orte und freie Stühle. Deshalb sollen diese jetzt erstmals für belästigte Frauen und Mädchen — Männer sind seltener betroffen — geschaffen werden.

Die Stadt richtet auf der Bergkirchweih sogenannte „Rettungsinseln“ ein. Auf dem Kirchweihgelände werden die drei Wachstationen um diese Funktion erweitert. Zusätzlich gibt es eine neue Station am Martin-Luther-Platz, die vor allem für die Feiernden beim „After-Berg“, also auch nach 23 Uhr, zu Verfügung steht. Groß wird diese Anlaufstelle nicht sein. „Wir stellen einen Container auf, in dem zwei bis drei Sanitäter vor Ort sind“, sagt Mathias Schenkl.

Der Leiter des Erlanger Ordnungsamtes ist für die Planung der Rettungsinseln zuständig. Als Vorbild dient die „Sichere Wiesn“ auf dem Münchener Oktoberfest. Seit zwölf Jahren hilft dort ein mehrsprachiges Team aus Fachfrauen und Ehrenamtlichen belästigten Frauen. Sie betreuen Opfer sexueller Gewalt, aber auch Frauen, die sich bedroht fühlen. Die Arbeit ist zu großen Teilen also auch rein präventiv.

In Erlangen sollen bei allen Anlaufstellen Einsatzkräfte von BRK und ASB — Frauen wie Männer — arbeiten, die für die neue Aufgabe sensibilisiert werden. Zusätzliches Fachpersonal gibt es nicht. „Bei uns findet das in anderen Dimensionen statt als auf dem Oktoberfest“, sagt Schenkl. „Die Stationen sollen Orte sein, an denen Frauen wissen: Hier bin ich sicher, hier bekomme ich Hilfe.“

Not-Anrufe vom After-Berg

Zweifel an der Notwendigkeit hat er nicht. „Die Dunkelziffer sexueller Gewalt kann ich nicht beurteilen. Offizielle Zahlen zeigen: Es ist ein sicherer Berg“, sagt Schenkl. Dennoch sei das Angebot absolut positiv. Das sehe er nicht aufgrund der Übergriffe in der Silvesternacht so. „Für mich gibt es zwischen den Ereignissen in Köln und der Sicherheit auf der Bergkirchweih keinen Zusammenhang.“ Deshalb sehe er auch keinen Grund, das Konzept zu verändern.

In einer Arbeitsgruppe machen sich unter anderem Stadt, Rettungsdienste, Polizei und Jugendamt gerade an die Planung. „Auch der Verein Notruf für vergewaltigte Mädchen und Frauen ist beteiligt. Deren Mitarbeiter werden die Rettungskräfte schulen“, sagt Schenkl. Wie das genau abläuft, ist noch nicht raus. Dass im Rahmen von ein paar Stunden keine vollwertige Zusatzausbildung möglich ist, gibt Birgit Hartwig vom Notruf-Verein zu. „Aber wir wollen erzählen, was es für eine Frau bedeutet, einen sexuellen Übergriff erlebt zu haben.“

Vor Ort müssten Opfer erst einmal zu sich kommen. „Man sollte fragen, wie man helfen kann. Manchmal reicht ein Anruf bei einer Freundin, die kann die Frau sicher nach Hause bringen.“ Die Mitarbeiter könnten dann auf das Notruf-Telefon verweisen. In anderen Fällen gehe es hingegen darum, schnell zu handeln. „K.o.-Tropfen zum Beispiel sind schwierig nachzuweisen. Da müssen die Helfer im ersten Moment auch daran denken, eine Urin- oder Blutprobe zu nehmen“, sagt Hartwig.

Neuer Name, neues Logo

Sie ist froh, dass die Stadt die Schaffung solcher Rettungsinseln, besonders der am Martin-Luther-Platz, beschlossen hat. „Wir bekommen viele Not-Anrufe vor allem in der Zeit nach dem Berg“ — wenn die Innenstadt voll ist und in Clubs die Party weitergeht. Entscheidend sei, dass die Rettungsinseln unter den Berg-Besuchern bekannt gemacht werden.

Dem stimmt Mathias Schenkl zu. „Die Stationen sind die Hardware“, sagt der Leiter des Ordnungsamts. „Als zweiten Baustein starten wir eine Kampagne, die für die Anlaufstellen und allgemein für einen respektvollen Umgang miteinander wirbt.“ 22 000 Euro hat die Stadt für die Rettungsinseln zur Verfügung gestellt, davon soll auch die Werbung bezahlt werden. „Die Stationen brauchen einen Namen, ein eigenes Logo.“ Plakate und Flyer soll es geben.

Angesichts der aktuellen Situation — Köln und Silvester spielt in den meisten Köpfen doch eine Rolle — sei das auch ein Zeichen, sagt Birgit Hartwig: „Sexuelle Übergriffe am Berg wollen wir nicht.“ Und sollte doch etwas passieren, gibt es zumindest ein paar Orte, an denen sich belästigte Frauen sicher fühlen können.

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