Zuhause in der Erlanger Wohnstätte bis zur letzten Stunde

16.6.2018, 18:00 Uhr
Zuhause in der Erlanger Wohnstätte bis zur letzten Stunde

© Harald Sippel

"Eigentlich haben wir hier ein Mehrgenerationenhaus", sagt Michael Vogel, der Gesamtleiter Wohnen bei der Lebenshilfe Erlangen. Die jüngste Bewohnerin der Wohnstätte in der Kitzinger Straße ist 18 und geht noch in die Schule, aber es sind auch 23 Rentner im Haus. 42 Bewohner in fünf Wohngruppen leben in dem Gebäude. Die Altersdurchmischung wird positiv gesehen, "Die Rückmeldung aller Beteiligten: Das hält lebendig", sagt Michael Vogel.

Für das Gespräch mit den EN sitzt Vogel gemeinsam mit Stefan Krämer, dem Leiter der Einrichtung in der Kitzinger Straße, und Sigrid Hagen (74), Elfriede Hartmann (61) und Jutta Arlt (61) an einem Tisch auf der Veranda vor der Seniorentagesstätte. Lange Zeit haben die drei Frauen in den Regnitz-Werkstätten gearbeitet, wurden morgens um sieben Uhr mit dem Bus hingefahren, jetzt sind sie in Rente. Der Vorteil des Rentnerdaseins? "Ausschlafen", sagt Jutta Arlt, und Elfriede Hartmann, bei dem Wort hellhörig geworden, bekräftigt: "Ausschlafen, ja!".

Mit dem Älterwerden der Bewohnerinnen ist die Einrichtung sozusagen "mitgewachsen", nicht nur weil sie 2012 durch einen Neubau ergänzt wurde und seitdem statt der am Anfang üblichen Doppelzimmer nur noch Einzelzimmer hat. Man hat auch Erfahrungen gesammelt. "Wir haben eine sehr hohe Pflegekompetenz", sagt Michael Vogel. "Ziel von uns allen ist es, dass unsere Bewohner bis zum Tod bei uns leben können." Vor 40 Jahren, als die Wohnstätte in Betrieb genommen wurde, habe man dies noch nicht auf dem Bildschirm gehabt.

Ohnehin hatte man gerade in Deutschland, wo unter den Nationalsozialisten Menschen mit geistiger Behinderung systematisch ermordet wurden, anders als beispielsweise in England noch in den 1970er Jahren keine Erfahrung mit älteren behinderten Menschen. Denn es gab sie einfach nicht. Damals wurde auch angenommen — so stand es jedenfalls in der Fachliteratur — , dass beispielsweise Menschen mit Down Syndrom eine maximale Lebenserwartung von 40 bis 50 Jahren haben.

Heute weiß man es besser. Und man weiß zum Beispiel auch, dass Menschen mit Down Syndrom an einer Demenz erkranken können. "Wir versuchen, bis zum Tod zu begleiten", sagt Stefan Krämer. In den letzten

14 Monaten habe es in der Wohnstätte sechs Todesfälle gegeben. Vor zwei Monaten wurde ein Kooperationsvertrag mit dem Hospizverein Erlangen und der Palliativversorgung Palliavita unterschrieben, die Zusammenarbeit besteht bereits seit zehn Jahren und hat sich bewährt.

Vorher, in der Phase des Alterns, versuche man, so erklärt Michael Vogel, den Bewohnern zu ermöglichen, "dass sie sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten entfalten können. Wir unterstützen ihre Interessen." Elfriede beispielsweise fahre öfter mal in den Urlaub. Sigrid Hagen, die Älteste, erklärt, dass sie wenig Hilfe brauche. "Nur die Strümpfe ziehe ich mir nicht selber an."

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