Erlanger Blogger über Filterblasen und Populismus im Netz

10.10.2018, 05:48 Uhr
Christian Buggisch, Internet-Experte und Blogger aus Erlangen, schleuste sich auf Facebook in die Filterblase der rechtspopulistischen Szene ein, die von Ablehnung und Hass geprägt ist.

© Privat Christian Buggisch, Internet-Experte und Blogger aus Erlangen, schleuste sich auf Facebook in die Filterblase der rechtspopulistischen Szene ein, die von Ablehnung und Hass geprägt ist.

Was hat Sie Anfang 2017 bewogen, mit einem Facebook-Zweitaccount in die Welt der Filterblasen einzutauchen? Gab es einen konkreten Anlass?

Christian Buggisch: Der konkrete Grund war die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA. Nach der Wahlnacht begann bei mir auf Facebook die Diskussion, wie man das alles so falsch einschätzen konnte, denn niemand aus meiner Timeline kannte jemanden, der das erwartet hatte oder Trumps Wahlsieg feierte. Da wurde mir die Existenz von Filterblasen zum ersten Mal wirklich bewusst - also habe ich begonnen, mich intensiver damit zu beschäftigen. Und ich wollte eben nicht nur darüber lesen, sondern es auch einmal erleben, wie es ist, sich in einer anderen Filterblase aufzuhalten als in der eigenen.

Wie lange waren Sie mit Ihrem Zweitaccount aktiv? Oder sind Sie es noch?

Buggisch: Ich habe mir von Beginn an vorgenommen, das etwa ein Jahr lang zu machen - also bis zur Bundestagswahl. Damals war bereits abzusehen, dass die AfD in den Bundestag einziehen würde - und ich wollte realistischer einschätzen können, was die Partei und ihre Anhänger tun, was sie denken und wie stark sie sind. Danach habe ich dann einen Schlussstrich gezogen. Den Account gibt es zwar noch, aber ich schaue nur noch selten rein.

Gibt es etwas aus dieser Zeit, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist? Eine bestimmte Diskussion beispielsweise?

Buggisch: Nicht direkt. Einprägsam war einfach die Erfahrung, dass jedes Ereignis immer mit dem gleichen Dreh versehen, immer in die gleichen Deutungsrahmen hineingepackt wird. Jedes Thema wird fokussiert auf die Themen Migration, Islam, Eliten oder Lügenpresse. Von einer Äußerung der Bundeskanzlerin bis hin zum Staatsbesuch des türkischen Ministerpräsidenten, alles wird in die gleiche Thematik hineingepresst, was dann letztlich die Beobachtung der Filterblase unglaublich ermüdend gemacht hat. Man bekommt einfach immer und immer wieder das gleiche zu lesen. Die gleiche Ablehnung, den gleichen Hass.

Haben Sie nur mitgelesen, oder haben Sie auch versucht, sich in die Diskussionen einzubringen?

Buggisch: Zunächst habe ich nur mitgelesen, bevor ich auch versucht habe, in Diskussionen einzusteigen. Ich habe dann aber schnell festgestellt, dass es da gar keine echten Diskussionen gibt. Es werden lediglich Statements abgegeben, übrigens nur von einer sehr überschaubaren Zahl von Leuten. Dann wird bestätigend oder ablehnend kommentiert - teilweise mit sehr drastischen Worten. Aber eine echte Diskussion mit einem Austausch von Argumenten findet da nicht statt.

Ist es Ihnen dennoch einmal gelungen, jemanden von seiner Meinung abzubringen?

Buggisch: Nein.

Mittlerweile sind Filterblasen in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit angekommen. Hat sich dadurch etwas verändert?

Buggisch: Ich glaube, es wurde das Bewusstsein etwas geschärft, dass es diese Blasen gibt und sie die Realität verzerren oder verfälschen - allerdings natürlich auch nur in reflektierten Kreisen. Für viele sind ihre Blasen weiterhin das Informationsmedium der ersten Wahl, in denen "Informationen" und Meinungen unkritisch konsumiert werden. Vor allem von Kreisen, die für demokratische Parteien der Mitte nicht mehr zu erreichen und Argumenten gegenüber ohnehin nicht zugänglich sind.

Facebook behauptet, sich darum zu bemühen, Fake News einzudämmen und Filterblasen durchlässiger zu machen. Ist davon etwas zu merken?

Buggisch: Da muss man unterscheiden. Bei den Filterblasen hat sich nicht allzu viel getan, gegen Fake News gibt es aber schon größere Bemühungen. Eigentlich ist das zu begrüßen, aber ein Ansatz von Facebook ist es ja, die Nutzer selbst beurteilen zu lassen, ob eine Quelle vertrauenswürdig ist oder nicht. Das funktioniert natürlich nicht, denn Studien belegen, dass 60 Prozent der Nutzer das gar nicht beurteilen können. Da kann man den User nicht zum Gradmesser des Realitätsgehalts einer Meldung machen. Die Bemühungen selbst sind aber natürlich lobenswert und es wird da sicherlich Lösungen geben, denn da die Quellen von Fake News sehr überschaubar sind, kann das eigentlich so kompliziert nicht sein. Das sind eigentlich immer die gleichen Blogs und Portale - oder auch Social-Media-Accounts, die nicht selten zur AfD gehören und überproportional viele Fake News verbreiten.

Immer mehr Umfragen sehen die AfD als zweitstärkste Partei in Deutschland. Wo stünde die Partei ohne Facebook?

Buggisch: Sie wäre auf jeden Fall nicht auf dem zweiten Platz. Die AfD ist die lauteste und reichweitenstärkste Partei in den Sozialen Medien, sie hat mit Abstand die meisten Fans auf Facebook - und sie kommuniziert auch am professionellsten, um es neutral zu formulieren. Ohne diese Reichweite, ohne Soziale Medien und Filterblasen wäre die Partei bei weitem nicht so stark, wie sie es derzeit ist.

Dann ist das Erfolgsrezept der AfD also eigentlich kein Geheimnis. Warum kopieren es die anderen Parteien nicht einfach? So schwer kann das doch eigentlich nicht sein.

Buggisch: Sagen wir es so: Eine Partei, die das alles seriös betreibt, hat es schwerer, weil sie weniger stark polarisiert, emotionalisiert und vereinfacht. Aber natürlich könnten sich die anderen Parteien weiter professionalisieren. Soweit ich das beobachte, arbeiten die Parteien zwar durchaus daran, aber sie tun sich natürlich schwerer, weil ihre Kommunikationsstrukturen älter sind. Eine junge Partei wie die AfD hat es da leichter.

Wie soll man in einer Diskussion mit Rechtspopulisten nicht den Mut verlieren, wenn man das Gefühl hat, mit einer Wand zu sprechen?

Buggisch: Entscheidend ist: Es geht nicht um die, mit denen man diskutiert. Sondern um die, die mitlesen. Die sind Argumenten gegenüber teilweise schon zugänglich - und genau für diese mitlesende Mehrheit ist es wichtig, deutlich zu machen, dass es auch andere Meinungen und Positionen gibt. Oder auch einfach Fakten, die ihnen vielleicht nicht bekannt sind. Es macht also schon einen Unterschied, ob da nur Rechtspopulisten ihre Ansichten verbreiten, oder ob auch Menschen mit einer anderen Meinung in die Diskussion einsteigen.

Überspitzt gesagt: Man gibt die auf, die ohnehin nicht zu retten sind und konzentriert sich auf diejenigen, die (noch) schwanken?

Buggisch: "Retten" ist ein bisschen melodramatisch, aber abgesehen davon: ja, absolut.

Wäre die Welt ohne Soziale Netzwerke - besonders ohne Facebook - eine bessere?

Buggisch: Nein, das glaube ich nicht, denn soziale Netzwerke haben auch große Vorteile: Wir haben beispielsweise Verwandtschaft in Australien und Singapur. Von diesen Verwandten bekommen wir wesentlich mehr mit als früher - wir sind ihnen näher als ohne Facebook. Die Netzwerke können also sehr bereichernd sein, werden aber auf der anderen Seite eben auch von Menschen bevölkert, die nicht immer gut sind. Da muss sicherlich noch seitens der Gesellschaft, der Politik und der Plattformanbieter einiges justiert werden. Letztlich ist es aber so: Ein soziales Netzwerk ist eine Plattform. Was wir daraus machen, liegt an uns.

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