Es bleiben Bedenken

1.5.2016, 19:33 Uhr
Es bleiben Bedenken

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Herr Minister, haben Sie Angst vor einem bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in Bayern?

Ludwig Spaenle: Wer tief in seinem Glauben wurzelt, hat vor gar nichts Angst. Der Islam ist Teil unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Und darauf geben wir mit dem bundesweit einmaligen Modellversuch Islamischen Unterricht eine passende Antwort.

Der wird aber etwa von Ditib scharf kritisiert. Der Verband nennt Bayern in diesem Punkt eine „Insel der Verfassungswidrigkeit“, weil an dem Modell die Religionsgemeinschaften nicht in der Form beteiligt sind, wie es das Grundgesetz vorschreibt. Das klingt nicht nach großem Einverständnis mit den Betroffenen.

Spaenle: Die Frage der Mitwirkungsmöglichkeiten islamischer Verbände oder Gruppen in diesem Bereich ist sehr komplex. Die muss man sehr grundsätzlich angehen. Es geht dabei um die Klärung der Situation des Islam im Rahmen der spezifischen staatskirchenrechtlichen Bedingungen des Grundgesetzes. Wir gehen den Weg des Dialogs und der Klärung der vertretbaren Rechtsgrundlage mit den islamischen Gemeinschaften weiter. Das tut Bayern so gründlich wie kein anderes Land.

Es geht am Ende um die offizielle Anerkennung als Religionsgemeinschaften. Ditib hat zum Beispiel schon vor zwei Jahren einen entsprechenden Antrag gestellt, um dem Grundgesetz gerecht zu werden. Seither liegt der in Ihrem Haus. Warum geht es nicht voran?

Spaenle: Ich selbst habe ein Gespräch mit den beiden bayerischen Ditib-Verbänden für den Norden und den Süden des Freistaats geführt. Es ist Aufgabe der islamischen Gemeinschaften, die notwendigen Anforderungen des Staatskirchenrechts zu erfüllen. Das ist nach unserer Einschätzung auf dem Weg.

Die Kriterien sind relativ klar. Eine Religionsgemeinschaft muss auf Dauer angelegt sein, es muss eine gemeinsame Ausübung der Religion stattfinden und es müssen die Prinzipien des Grundgesetzes anerkennt werden. Ditib oder auch die Islamische Landesreligionsgemeinschaft Bayern (ILRB) sagen, dass sie das längst tun. Haben Sie da noch Bedenken?

Spaenle: Es muss eine nachhaltige Lösung geben. Da ist man noch nicht am Ziel. Man sollte hier nichts übers Knie brechen, dazu ist das Thema zu wichtig. Nach unserer Rechtsauffassung sind wir derzeit einfach noch nicht so weit, eine islamische Organisation im Sinne einer Religionsgemeinschaft als Partner anzuerkennen. Aber der Weg dorthin ist offen. Gut Ding will Weile haben. Wir sind in einem intensiven Austausch.

Es bleiben Bedenken

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Momentan sind für den bayerischen Modellversuch Islamischer Unterricht jeweils mehr oder weniger spontan gegründete Elternvereine Ansprechpartner für die Kultusbehörde. Die werden auf muslimischer Seite gelegentlich als „verfassungsrechtliches Feigenblättchen“ bezeichnet, weil das Grundgesetz eben verlangt, dass ein Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt werden muss. Können Sie die Verärgerung bei Ditib oder anderen Verbänden verstehen?

Spaenle: Ich habe als Minister zunächst einmal für alles Interesse zu haben, was im Bildungsbereich artikuliert wird. Uns muss aber niemand belehren, wie man in den Schulen mit dem Thema Islam umgeht. Da sind wir Vorreiter. Der aktuelle Modellversuch in staatlicher Verantwortung ist im Freistaat ein ordentliches Schulfach. Die Nachfrage wächst übrigens, und das Angebot wird ausgebaut.

Ditib hat offen mit einem Boykott des Modells durch betroffene Eltern und Schüler gedroht, wenn sich das Ministerium weiter sperre. Was würde ein solcher Boykott bedeuten?

Spaenle: Eine solche Äußerung nehme ich zur Kenntnis. Ob diese Haltung von Ditib pädagogisch sinnvoll ist, wenn es um Begegnung junger Muslime mit ihrer Religion in der Schule geht, muss sich Ditib fragen lassen. Wir entwickeln unser gegenwärtiges Modell des islamischen Unterrichts über alle Schularten hinweg jedenfalls weiter.

Was man unter Islam als Religion zu verstehen hat, bestimmt also der Freistaat Bayern?

Spaenle: Woraus entnehmen Sie diese Vermutung? Ich kann nur auf den Weg verweisen, auf dem die für unser schulisches Angebot verwendete Unterrichtsmaterialien erarbeitet wurden. Daran haben hochrangige Experten des Islam und die Islamische Religionsgemeinschaft Erlangen mitgewirkt. Und die Lehrer erhalten an der Universität Erlanger-Nürnberg eine von allen Seiten anerkannte Ausbildung. Da kommen Universitäten in anderen Bundesländern nicht mit.

Es geht ja vorerst auch noch nicht um einen islamischen Religionsunterricht, sondern eben um den islamischen Unterricht. Das ist ein gewichtiger rechtlicher Unterschied. Bayern nimmt seine pädagogische Verantwortung für Kinder islamischen Bekenntnisses derzeit in einer angemessenen Form wahr. Wir erreichen damit im Augenblick immerhin schon etwa 11 000 von insgesamt etwa 60 000 Schülerinnen und Schülern. Niemand nimmt den islamischen Verbänden da etwas weg.

Hinter vorgehaltener Hand hört man, dass sich Ihre Partei, die CSU, grundsätzlich schwer tut, eine islamische Religionsgemeinschaft bei der Anerkennung auf das gleiche Niveau zu heben wie die großen christlichen Kirchen. Wie nehmen Sie die Stimmung in der CSU wahr?

Spaenle: Es geht in dieser Frage wirklich allein um die staatskirchenrechtlichen Bedingungen des Grundgesetzes.

Gehört der Islam zu Bayern?

Spaenle: Wie gesagt, der Islam ist im Freistaat Teil der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Er ist in aber sicher keine grundprägende Kraft dieser Gesellschaft, so wie das etwa die großen christlichen Kirchen und die Israelitischen Kultusgemeinden sind.

 

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