Als Waischenfeld fünf Tage lang Literaturhochburg war

7.2.2017, 08:00 Uhr
Als Waischenfeld fünf Tage lang Literaturhochburg war

© Archivfoto: dpa

Der Platz für das 31. Treffen der Gruppe 47 in 20 Jahren war von Hans Werner Richter gut gewählt: Die Pulvermühle lag etwas abseits im beschaulichen Rabenecker Tal und hatte nur zwei Zugänge, wovon einer über eine hölzerne Brücke führte. Der Pulvermüller und Wirt Kaspar Bezold witterte ein gutes Geschäft und Renommee-Zuwachs für sein Gasthaus. Er war kurz entschlossen damit einverstanden, sein Gasthaus inmitten der Wandersaison für einige Tage wegen „Geschlossener Gesellschaft“ für die Öffentlichkeit zu sperren.

An die 100 Literaten hatte Richter eingeladen. Sie wohnten in zahlreichen Gasthöfen; in der Pulvermühle selbst hatten nur wenige Platz. Am Donnerstag, 5. Oktober, reisten die Gäste an, am Montag 9. Oktober, war die Abreise der Schriftsteller und ihrer Begleitung vorgesehen, woran sich die meisten hielten. Am Samstagabend stand ein „Festball“ im 1950 erbauten Saal auf dem Programm.

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Die meiste Zeit diente dem persönlichen Kennenlernen und dem Vortrag eigener Texte, die von den Anwesenden bewertet wurden. Jürgen Becker gewann den Vorlesewettbewerb für sein Prosastück „Ränder“. Er durfte 6000 Mark Preisgeld mit nach Hause nehmen. Für diese Summe gab es damals einen VW Käfer 1500 mit Automatikgetriebe. Während der Tagung wurden in einem Schaufenster des Café Gardill am Waischenfelder Marktplatz die bekanntesten Bücher der Gruppe 47 ausgestellt.

Viele der damals an der Tagung vertretenen Literaten sind mittlerweile verstorben, darunter Prominente wie Günther Grass, Siegfried Lenz und Marcel Reich-Ranicki. Andere weltbekannte Gruppenmitglieder leben noch. Wie Martin Walser, der im März 90 Jahre alt wird, oder Guntram Vesper, der für sein jüngstes Werk „Frohburg“ kürzlich in der Sparte „Belletristik“ den Preis der Leipziger Buchmesse bekommen hat. Oder Friedrich Christian Delius, der 2011 mit dem Georg-Büchner-Preis, dem bedeutendsten Literaturpreis im deutschen Sprachraum, ausgezeichnet wurde.

Die Veranstaltungen der Gruppe 47, deren letztes Treffen 1990 stattfand, brachten gute Literaten hervor. Ein typisches Beispiel ist auch Heinrich Böll, der 1951 die Vorlesung mit „Die Schwarzen Schafe“ gewann und damit die internationale Literaturszene auf sich aufmerksam machte.

SDS wollte stören

„SDS“ (Sozialistischer Deutscher Studentenbund) nannte sich eine Gruppe von Studenten, die versuchte, die Autoren-Tagung zu stören. Ein Sammelbecken der „neuen Linken“, zu dem auch Rudi Dutschke gehörte, Wortführer der Studentenbewegungen. Sie kamen aus Erlangen und demonstrierten gegen den Literatentreff, den sie als „Papiertiger“ bezeichneten. Viele Literaten, darunter auch Günther Grass, zeigten sich empört.

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Gleichwohl war ein Ergebnis des Treffens eine Resolution der „Gruppe 47“ gegen Axel Springers Pressekonzentration, die „eine Einschränkung und Verletzung der Meinungsfreiheit“ darstelle. Axel Springer besaß zu jener Zeit Bild, das Hamburger Abendblatt, Hörzu und Die Welt und hatte eine Beteiligung am Ullstein-Verlag, der auch die Berliner Morgenpost heraus gab. Die Studenten verbrannten stapelweise Bild-Zeitungen, während die Schriftsteller im Wintergarten Kaffee tranken und zusahen.

Am kommenden Dienstag entscheidet der Waischenfelder Stadtrat, ob man an das Jubiläum der „Gruppe 47“ mit einem Gedenkwochenende im Oktober erinnern will.

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