Amtsgericht: Verwirrung um Zwillinge stoppt Verfahren

4.5.2016, 17:53 Uhr
Symbolbild Amtsgericht Forchheim

© Huber Symbolbild Amtsgericht Forchheim

Eine Stunde lief die Gerichtsverhandlung bereits, als Richterin Silke Schneider die Vorstrafen des Angeklagten zu Rate ziehen wollte. Plötzlich ging es nicht weiter. Denn es lagen zwei Vorstrafenregister vor, beide auf den selben Namen und die selbe Adresse bezogen. Aber während auf dem ersten Zettel fünf Vorstrafen m Ausland und der Hinweis auf eine Gerichtsverhandlung in Nürnberg vermerkt waren, blieb der zweite Zettel hartnäckig weiß und wies auf keine Vorstrafen des Angeklagten hin.

Dann gab es zumindest einen Erklärungsversuch. Eine Begleiterin des Angeklagten stand auf und erklärte: „Er hat einen Zwillingsbruder!“ Der Bruder würde an der gleichen Adresse wohnen, auch die Vornamen der beiden würden sich ähneln. Der Angeklagte gab auf Nachfrage an, zum ersten Mal vor Gericht zu stehen. Die anderen Vorstrafen würden von seinem Bruder stammen.

Auch zuvor hatte es bei der Verhandlung nicht viel Klarheit gegeben. Den ersten Anklagepunkt, einen Diebstahl in einem Supermarkt, gab der Angeklagte noch zu. Darüber hinaus war er aber ebenfalls angeklagt, im Juni 2014 eine Angelausrüstung im Wert von etwa 1000 Euro aus einem Schuppen im selben Ort entwendet zu haben.

Einen Anwalt hatte der 31-jährige Beschuldigte nicht. Er selbst erklärte, die Tasche mit der Angelausrüstung habe er von zwei brasilianischen Asylbewerbern gekauft, die Namen wüsste er nicht. Die zwei ersten Zeugen waren der Bestohlene und der Polizist, der das Diebesgut sichergestellt hatte. Sie konnten nur bestätigen, dass die Angeltasche in der Wohnung des Angeklagten gefunden wurde, mitsamt Angelschein des Geschädigten. Von zwei Brasilianern wusste auch der Polizist nichts.

Der letzte Anklagepunkt war gleichzeitig der schwerste. Der 31-Jährige habe bei einem Streit um zehn Euro einen anderen Mann mit einem Bunsenbrenner und einem Hammer bedroht, und geschrien, er würde ihm die Knie zertrümmern. Dann habe er dem Geschädigten mit dem Bunsenbrenner ins Gesicht geschlagen.

Die Aussagen der beiden Zeugen konnten auch hier den Sachverhalt nicht eindeutig klären. Der 20-jährige Geschädigte wollte zuerst überhaupt keine Aussage treffen. Erst als Richterin Schneider ihn ermahnte, er mache sich womöglich der Falschaussage bei der Polizei schuldig, bestätigte er die Anschuldigungen.

Der Angeklagte sagte, er habe nur Geld zurück verlangt, das der ehemaligen Freundin seines Gegenübers gehört hätte. „Ich habe ihn gefragt, warum er sich nicht korrekt verhält, seine Freundin schlägt und jetzt kein Geld geben will. Sie hat zwei kleine Kinder, das macht man nicht.“ Dann habe er eine Ohrfeige ausgeteilt. Bunsenbrenner oder Hammer hätte es nicht gegeben. Die zweite Zeugin, die ehemalige Freundin des Geschädigten, wollte von dem Streit nichts mitbekommen haben, obwohl sie nach einstimmigen Aussagen der beiden Streitenden mit im Zimmer gewesen sei.

Es kam immer wieder zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen dem Beschuldigten und einem der Zeugen, Richterin Schneider musste wiederholt eingreifen. Zudem widersprachen sich alle Beteiligten gegenseitig bei jedem Punkt. Es kam weder heraus, um wie viel Geld es sich jetzt tatsächlich bei dem Streit gehandelt hatte, noch für wen das Geld gedacht war.

Der Geschädigte war sich nicht sicher, ob der Bunsenbrenner nicht vielleicht doch gebrannt habe, der Beschuldigte wollte weder Hammer noch Bunsenbrenner benutzt haben und nur mit der Hand zugeschlagen haben und die Frau konnte nur sagen: „Er hatte schon etwas in der Hand. Ich denke er hat auch damit zugeschlagen, aber was das genau war, das weiß ich wirklich nicht mehr.“

Bevor dann die Richterin eine Chance hatte, ein Urteil aus den widersprüchlichen Aussagen zu machen, kam das Thema mit dem möglichen Zwillingsbruder dazwischen. Da letztendlich die Frage nach den Vorstrafen nicht geklärt werden konnte, wurde die Gerichtsverhandlung vertagt. „So etwas habe ich auch noch nicht erlebt“, meinte Schneider kopfschüttelnd, als sie das Verfahren vorerst schloss.

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