Achim Beierlorzer steht jetzt bei RB Leipzig an der Seitenlinie

4.8.2014, 07:00 Uhr
Achim Beierlorzer steht jetzt bei RB Leipzig an der Seitenlinie

© Michael Müller

Es gibt Fußball-Trainer, die verfolgen das Geschehen auf dem Platz mit stoischer Ruhe von ihrer Bank aus, machen sich von Zeit zu Zeit schriftliche Notizen und nehmen in der Halbzeitpause eine messerscharfe Analyse vor. Klassische alte Schule. Daneben gibt es immer mehr jüngere Übungsleiter, die während der 90 Minuten hartnäckig ihre Seitenlinie beackern und stetig Anweisungen an ihre Spieler weitergeben.

Achim Beierlorzer gehört zum zweiten Typus. Der 46-jährige gebürtige Neunkirchener überlässt Stift und Notizblock lieber einem Assistenten. „Eric, kompakt. Nach innen schieben. Kompakt“, brüllt er bei einem gegnerischen Abstoß. Sein Außenbahnspieler leistet Folge, die Mannschaft gewinnt den Ball, das rasante Spiel später mit 4:3. „Das sind noch keine fertigen Spieler, die brauchen Anleitung, um eines Tages den Sprung zu schaffen“, erklärt Beierlorzer, dem einst selbst — trotz eines Freistoßtreffers im DFB-Pokal 1990 zum Fürther Sieg über den Titelverteidiger Borussia Dortmund — der Sprung in den Profibereich verwehrt blieb.

Beim 1. FC Nürnberg reichte es nach der A-Jugend nur für die Amateure. Weitere Stationen in der Bayern- und Landesliga mit der SpVgg Fürth, der SpVgg Jahn Forchheim und dem SC Schwabach folgten, ehe Beierlorzer eine Anstellung als Gymnasiallehrer für Mathematik und Sport in Eckental fand, ein Haus mit Blick auf den Sportplatz in Stöckach baute und seine aktive Karriere in der fränkischen Heimat beim SV Kleinsendelbach ausklingen ließ.

Im Sommer 2014 beginnt für den dreifachen Vater und Familienmenschen eine neue Zeitrechnung. Als hauptamtlicher Trainer bei RB Leipzig hat er es doch noch ins Profigeschäft geschafft, kehrt eine Woche vor dem Punktspielauftakt mit dem Vizemeister der U17-Bundesliga Nord für ein kurzes Gastspiel an seinen Wohnort zurück und tritt gegen seinen ehemaligen Verein an. Vier Jahre hat Beierlorzer neben seiner Lehrertätigkeit die U17 der SpVgg Greuther Fürth betreut und konnte stets zum Trainingszentrum pendeln. Nun wird der Wahl-Leipziger wesentlich seltener zu Hause sein. Die Abschlussnote von 1,0 beim diesjährigen Fußballlehrer-Jahrgang machte den ambitionierten Neu-Zweitligisten auf ihn aufmerksam.

Treffen mit Rangnick

„Ich bekam einen Anruf, ob ich denn noch einen Vertrag in Fürth hätte. Dann gab es ein Treffen mit Ralf Rangnick“, erinnert sich Beierlorzer. Der Reiz, sich zumindest für die nächsten zwei Jahre Vollzeit und bei entsprechender finanzieller Entlohnung auf den Fußball konzentrieren zu können, lockte den 46-Jährigen aus seiner Komfortzone. Der Freistaat genehmigte die vorläufige Beurlaubung des Lehrers: „Ausschlaggebend war natürlich, dass die Familie meine Entscheidung mitträgt. Ich fahre so oft es geht nach Hause oder die Familie besucht mich übers Wochenende. Die Strecke ist mit dem Auto ja in zwei Stunden schnell geschafft.“

Der Unterschied zwischen Fürth und Leipzig? „Beide Vereine haben sehr gut geführte Nachwuchsleistungszentren. Fürth hat in den letzten Jahren auch in seine Infrastruktur investiert. Nur legt RB eben in allen Bereichen noch eine Schippe oben drauf, hat drei beheizbare Trainingsplätze und baut gerade seine Jugendakademie auf“, sagt Beierlorzer. Jungtalente aus dem Raum Stuttgart, aus Hamburg und Berlin gehören zum Leipziger Kader und sollen ab 2015 ins Vereinsinternat gehen.

Sogar einen eigenen Video-Analysten bekam der neue U17-Trainer zur Seite gestellt, der auch den Testkick in Stöckach von allen Seiten filmte. „Ich finde es super, dass wir da so professionell arbeiten und mindestens einmal pro Woche eine Video-Schulung machen können. Die Junioren spielen mittlerweile den gleichen Hochgeschwindigkeitsfußball wie die Profis“, so der frühere Mittelfeldregisseur, der mit seinen Schützlingen in der Regel fünf Einheiten pro Woche arbeiten kann.

Dabei profitiert Beierlorzer von seiner pädagogischen Ausbildung: „Es ist unheimlich wichtig, viel mit den Jungs zu reden, ihnen nicht nur auf dem Platz, sondern auch bei der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu helfen. In jungen Jahren haben sie es fast alle schon mit Spielerberatern zu tun.“ Moralische Bedenken, dass für einen 14 Jahre alten Kicker mittlerweile horrende Ablösesummen gezahlt werden, hat Beierlorzer indes nicht: „Das ist Geschäft.“

Die Auswüchse dieses Systems muten auch an Samstagnachmittag in Stöckach manchmal grotesk an. Denn da prallen die taktische und technische Reife dieser Ausnahmetalente, die ihre Ballstafetten in höchstem Tempo mit der Präzision einer Maschine ausführen, auf die Widerborstigkeit eines pubertierenden Heranwachsenden, der nicht recht hören und doch einfach nur spielen will.

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