Besser machen: "Vom Wissen ins Handeln kommen"

28.6.2017, 18:55 Uhr
Besser machen:

© Foto: Ulrich Graser

Über 400 Bäckereien und Cafés, sagt Julia Post bei einer Tasse Kaffee (in der Porzellantasse), machen deutschlandweit schon mit bei ihrer Aktion "Coffee To Go Again!" Sie funktioniert so: Die Kundin bringt ihren eigenen Becher ins Café mit und lässt ihn mit dem Kaffee ihrer Wahl auffüllen – fertig.

Ein normaler Pappbecher landet nach etwa einer Viertelstunde im Müll und ist, da mit Plastik beschichtet, nicht wiederverwertbar. In Deutschland summiert sich das laut Post im Jahr auf 40 000 Tonnen Abfall. Was für die einen eine Frage des Lebensstils ist ("schnell noch einen Kaffee mitnehmen"), bezeichnen andere, wie Julia Post, als "ökologisches Desaster".

Buch veröffentlicht

Die Aktivistin Post ist mit ihrer Idee schon in vielen Medien aufgetreten und auch in elektronischen Netzwerken aktiv (coffee-to-go-again.de). Nach Forchheim geholt wurde sie von der grünen Kreisvorsitzenden Lisa Badum. Im März veröffentlichte die Politikwissenschaftlerin Post im Selbstverlag ein Buch ("Besser machen statt besser wissen"), das sie durch Crowdfunding finanzierte.

Was sagen die örtlichen Cafés zu der Sache? Bei Birgit Moller ("Birgit’s Vintage-Café") in der Apothekenstraße gibt es keinen Kaffee zum Mitnehmen: "Zum Kaffeetrinken sollte man sich hinsetzen." Das Ehepaar Bogatz ("Café Bogatz" in der Hornschuchallee) praktiziert schon, was Julia Post propagiert: Wenn jemand sein eigenes Geschirr mitbringt, wird ohne langes Federlesen aufgefüllt. Allerdings aus Sicht der Kaffeeröster mit einem tränenden Auge, so Dieter Bogatz: "Wir wollen ja das perfekte Produkt verkaufen." Und zwar unter der Überschrift "Genuss". Dazu gehöre, dass der Kunde sich zum Kaffeetrinken Zeit nimmt.

Zwei, drei andere Probleme liegen beim Thema "Handling". Der eine Becher fasst mehr, der andere weniger, der eine ist höher, der andere niedriger: "Wir haben dann kein Maß, daher kann es vorkommen, dass auch mal zu viel Milch im Kaffee ist." Constanze Bogatz weist auf mögliche Hygieneprobleme hin. Julia Post kennt diese Fragen. Sie beruhigt: "Rein rechtlich dürfen Sie Kaffee in mitgebrachtes Geschirr ausgeben." Sie kenne bisher keinen einzigen Fall, wo ein Kunde, der seinen Becher selbst mitbrachte, über mangelnde Hygiene geklagt hätte.

Bei Bogatz wird die Fremd-Tasse heiß ausgespült, damit das empfindliche Heißgetränk keinen "Temperaturschock" erleidet und dann zu kalt serviert wird. Constanze und Dieter Bogatz haben jedenfalls kein Problem damit, den Post’schen Kampagnen-Aufkleber an ihren Tresen zu heften. Ebenso wenig Andreas Diessner, Inhaber von GuDiess in der Hauptstraße.

Bei GuDiess erhalten Kunden auch ihr Essen im Pappbecher zum Mitnehmen. Der ist zwar nicht wiederverwendbar, besteht aber laut Diessner "aus reiner Pappe, die gewachst ist". Den FairTrade-Kaffee to go dagegen gibt es im Wegwerfbecher: "Da habe ich noch nichts anderes gefunden." Auch hier gilt: Wer seinen Becher mitbringt, wird bedient.

Unabhängig von Julia Post, aber vielleicht durch sie angeregt, entstehen in etlichen Städten Firmen, die Pfandsysteme für wiederverwendbare Kaffeebecher aufbauen: "Da muss es natürlich ein dichtes Netz von Läden geben, die da mitmachen", sagt Post.

Coffee to go ist ein großes Thema bei Bahn-Pendlern. Am liebsten wäre es ihr, sagt Post, wenn sich an Pfandsystemen oder an ihrer eigenen Kampagne nicht nur die Bahnhofs-Cafés beteiligen würden, sondern gleich die Deutsche Bahn. Denn schließlich wird ja Kaffee auch in (vollen) Zügen angeboten und genossen.

Julia Post studierte Politik- und Verwaltungswissenschaften, als sie 2015 das Projekt "Coffee To Go Again" ins Leben rief. Es ist zunächst als Beitrag zum Thema Klimaschutz gestartet und stieß so schnell auf riesige Resonanz, dass "rasch ein Halbtagsjob daraus wurde".

Ganz schön viel Müll: Dieser Gedanke stand am Anfang. Die Einwegbecher für Kaffee stapeln sich in Deutschland zu 40 000 Tonnen Abfall jährlich. Allein der Stadt München, so Julia Post, entstehen für die Entsorgung des Becherabfalls Zusatzkosten in Höhe von 3000 Euro. Für die Produktion jedes einzelnen Bechers wird eine so große Menge des klimaschädlichen Kohlendioxid verwendet, wie sie ein Auto während einer Fahrt über einen Kilometer ausstößt, insgesamt sind es 111 111 Tonnen an Emissionen. 22 000 Tonnen Rohöl sind nötig, um stündlich 320 000 Kaffeebecher über den Tresen schieben zu können.

Für die Produktion der Pappe werden jährlich 43 000 Bäume gefällt und 1,5 Milliarden Liter Wasser verbraucht. Der Plastikdeckel des Bechers enthält Weichmacher und andere Chemikalien. Sie lösen sich bei Berührung mit dem Heißgetränk, werden vom Konsumenten verschluckt und reichern sich in seinem Gewebe an. Ein Mehrwegbecher aus Porzellan rechnet sich, was den Ressourcenverbrauch betrifft, nach ungefähr 35-maliger Benutzung.

Julia Post, Jahrgang 1989, appelliert in Sachen Klimaschutz auch an ihre Altersgenossen: "Meine Generation muss vom Wissen ins Handeln kommen. Im Kleinen wie im Großen. Wir dürfen nicht länger zufrieden mit Ausprobieren sein."

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