Blätterwald: Bier und Literatur entfalteten ihr Bouquet

14.11.2016, 10:00 Uhr
Blätterwald: Bier und Literatur entfalteten ihr Bouquet

© Foto: Hans von Draminski

Der Schauplatz: Das Brauhaus am Kreuzberg, nachgerade ein idealer Ort, wenn man sich mit authentisch gebrautem Gerstensaft aus der Region beschäftigen will. Das tut der Biersommelier und Buchautor Markus Raupach mit ebenso viel Sachverstand wie Witz und bringt seinem Publikum in der rappelvollen Gaststube allerlei Wissenswertes über das Bier bei. Zum Beispiel, wie eine professionelle Bierverkostung vor sich geht: In Zentiliter-Gläschen wird eine kleine Menge Flüssigkeit eingeschenkt, dann darf zunächst gerochen und gefühlt werden. Welche Aromen entwickelt das Bier? Wie kalt ist es?

Die Biere dieser besonderen „Blätterwald“-Aktion, die von den Nordbayerischen Nachrichten präsentiert wurde, stellt das Brauhaus — was sich nicht als schlechteste Wahl entpuppt, denn hier ist noch keine Rede von industrieller Massenproduktion.

Warum Weizenbier mehr oder weniger nach Banane schmeckt, wird ebenso geklärt wie die Frage, worin sich ober- und untergäriges Bier voneinander unterscheiden. Die wohl eigentümlichste Kostprobe des kleinen Bierseminars kommt gegen Ende auf den Tisch: ein sogenannter Whiskey-Bock mit hohem Alkoholgehalt und hoher Süße, bei dem sich die Bier-Eleven erstmals uneins sind: Die Reaktionen reichen von „unerträgliches Gesöff“ über „interessante Alternative“ bis zu „mein neues Lieblingsbier“, jene Meinung freilich geäußert von einem passionierten Whiskeytrinker.

Deutlich weniger polarisierend fällt die literarische Hälfte des Abends aus. Der versierte Rundfunksprecher und Schauspieler Rainer Kretschmann liest aus dem Buch, das dem Abend den Namen gab: „Biergartenlandschaften“, erschienen im Cadolzburger Ars-Vivendi-Verlag, herausgegeben von Elmar Tannert.

Ironische Betrachtungen

Nachdem der Bauch inzwischen gut gefüllt sei, komme nun „etwas für die obere Etage“, meint Kretschmann augenzwinkernd und beginnt mit „Bin schon da“, Ralf Huwendieks (1948—2004) ironischer Betrachtung der verschiedener Biergartenbesuche-Typen. Da gibt es den, der immer schon vor einem halb ausgetrunkenen Glas sitzt, egal wie früh man selbst beim Stammtisch ankommt. Oder den Selbstdarsteller, der stets von einer Schar meist weiblicher Bewunderer umgeben ist. Oder den Stillen, der in Wirklichkeit weltberühmt ist, davon aber nichts erzählt.

Eine fremde Welt beschreibt Theobald Fuchs im „Biergarten global“, der irgendwo in Indien verortet ist und in dem es passieren kann, dass ein Gecko auf den Tisch fällt oder Affen das Mittagessen klauen.

Davon profitiert Herta Dietrichs verstörender Schnappschuss „Ich bin aus der Zeit gefallen“, ein metaphysisches Kaleidoskop, bei dem der eisige Hauch des Jenseits den eben noch so fröhlichen Gästen der „Biergartenlandschaften“ um die Nase weht – und sie gerade dadurch zurück in die Realität holt. Stark.

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