Das kurze Leben des Hitlerjungen Paul B.

3.4.2011, 16:03 Uhr
Das kurze Leben des Hitlerjungen Paul B.

© Roland Huber

Auch der „Pimpf“ Paul Bayer fühlte sich schon im Jungvolk als „Fackelträger der deutschen Idee“. Am Ende bezahlte er aber seine Liebe zum Abenteuer und dem Kameradschaftsgeist mit dem Leben. 17 Jahre alt war er und Hauptscharführer, als er im März 1943 bei einem Luftangriff der Aliierten in einer Flakstellung in der Saarbrücker Straße ums Leben kam. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände in der Noris hat nun den Weg dieses „Kindersoldaten“ nachgezeichnet.

So entstand die Ausstellung „Verführt, verleitet, verheizt“ . Organisiert von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dem Kreisjugendring und dem Landkreis kann man diese politisch wichtige Aufklärungsschau noch bis Ende der nächsten Woche in den Rathaushallen in Forchheim sehen. Dass am Schicksal von Paul B. das Wirken der Hitlerjugend treffend illustriert werden kann, verdanken die Historiker Helmut Schwarz, dem Chef des Nürnberger Spielzeugmuseums. Viel mehr aber noch seiner Amtsvorgängerin Lydia Bayer, der Schwester von Paul, deren Privatarchiv nach ihrem Tod der Stadt übergeben wurde. Schwarz entdeckte in der großen Wohnung auch eine Kiste, in der viele Erinnerungsstücke von Bruder „Paulchen“ lagen.

„Das war ein großer Glücksfall“, beschrieb Schwarz, der seine Jugend in Forchheim verbrachte und sich in seiner Doktorarbeit mit der Industriegeschichte der Stadt befasste, die Entdeckung privater Zeugnisse. „Es ist wichtig“, so Schwarz bei der Ausstellungseröffnung, „dass man hier das Grauen der Naziherrschaft mit einem Namen verbinden kann.“

Paul B.s Schicksal, das der Historiker Hans-Herrmannn Steen nun mit Schulklassen aus dem Kreis in Workshops aufarbeiten will, ist für den Forchheimer Raum jedoch keine Neuigkeit. Schon vor sechs Jahren spielten die Bilder des Nürnberger Hitlerjungen eine wichtige Rolle — während einer Protestveranstaltung gegen Neonazis in Gräfenberg. Die Stadt hatte gemeinsam mit dem Doku-Zentrum mannshohe Bildtafeln entlang der von ihr nicht erwünschten, aber vom Verwaltungsgericht Bayreuth den Nazis zugestandenen Marschroute aufgestellt, um die Rechten mit den verbrecherischen Taten ihrer Helden zu konfrontieren.

In den Krieg gelockt

Hans-Christian Täubrich, Leiter des Doku-Zentrums, erinnerte damals daran, dass die NSDAP die Jugend mit einem „beispiellosen ideologischen Programm“ geködert hat. Von Zwang könne keine Rede gewesen sein. „Jugendliche Neigungen zu Abenteuerlust, Kameradschaft und Diszplin“ hätten als Lockmittel ausgereicht. Auch die Technikbegeisterung verschaffte den Nazis Zugang, erleichterte die Verbreitung der „Todesbotschaft“, mittels der man die jungen Leute in den Krieg locken konnte.

Paul B. ist ein Beispiel dafür. Im letzten Brief an die Eltern offenbart der 17-Jährige auch seine Faszination für Waffen. „Ich freue mich schon sehr auf die Lektüre des Buches über Handfeuerwaffen“. Der Gymnasiast bediente eine Flugabwehrkanone, gab sein Leben „für den Schutz unserer altehrwürdigen Stadt“, hieß es im Nachruf. In der Ausstellung kann man auch die Kiste in Augenschein nehmen, in der Lydia Bayer die HJ-Uniform ihres Bruders, Fotos aus der Kinder- und Jugendzeit, Schreibhefte, Befehle und Todesanzeigen seiner gefallenen Kameraden aufbewahrte. Neben den persönlichen Zeugnissen zeigt die Schau aber auch die Entwicklungsgeschichte der Parteijugend auf. Ihr größter Führer, Baldur von Schirach, bekannte vor dem Nürnberger Kriegsverbrechertribunal, er habe Schuld auf sich geladen, weil er die Hitlerjugend erzogen habe für einen „millionenfachen Mörder“, an den er geglaubt habe.

Voller Neugier kam auch Richard Zenk aus Hausen in die Ausstellung. Sein Vater Johann war Jahrzehntelang Bürgermeister der Gemeinde, die enge geschäftliche Beziehungen zu den Nürnberger Stadtwerken hatte. „Dessen Generaldirektor war mit meinem Vater gut befreundet. Ich habe Paul B. weniger gekannt, spielte als Kind aber oft mit seiner Schwester.“