Dem Probst waren damals nur die Einkünfte wichtig

24.10.2016, 06:00 Uhr
Dem Probst waren damals nur die Einkünfte wichtig

© Foto: Ralf Rödel

Sie lebten im Schatten des 57 Meter hohen Glockenturmes der Martinskirche. Nicht etwa hinter Klostermauern, sondern inmitten der Stadt. In einem Areal, das heute von Rosengässchen und St.-Martin-Straße (früher Pfaffengasse) eingegrenzt wird. Als Weltgeistliche durften sie privates Vermögen besitzen, hielten Schweine, Ziegen und Geziefer.

Über die Mitglieder des Kollegiatstiftes ist auch Andreas Jakob, der sich bereits in seiner Doktorarbeit vor fast 20 Jahren damit befasst hat, kaum etwas bekannt. Nur ihre sterblichen Überreste wurden bei Ausgrabungen in den 1950er und 1960er Jahren in einer Gruft unter St. Martin entdeckt. „Es sollen 50 Kubikmeter Knochen gewesen sein“, so der Historiker, der eigentlich aus Würzburg stammt.

Das Kollegiatstift diente seit seiner Gründung 1354 durch Leupold von Bebenburg hauptsächlich dazu, die Interessen des Fürstbischofs im südlichen Teil des Hochstiftes Bamberg zu schützen. Die Stiftsherren überwachten „als verlängerter Arm aus Bamberg“ die städtischen Beamten „eifersüchtig, um ihre Rechte zu wahren“. War der Fürstbischof in seinem Schloss, vulgo „Kaiserpfalz“, das nur ein halbes Jahrhundert nach dem Kollegiatstift errichtet worden war, so gab es keine Probleme, angemessene Gottesdienste zu feiern. Obwohl der Sakralbau ein „Flickenteppich ständig ergänzter Teile ist und kein Bauwerk aus einem Guss“.

Im Inneren war klar geregelt, wer für welche Aufgaben zuständig war. An der Spitze stand der Propst aus Bamberg, der „sich aber fast nie blicken ließ“, auch nicht bei seiner Amtseinführung. „Ihm waren nur die Einkünfte wichtig.“ Ein roter Faden, der sich auch bei seinen Kollegen durch die Jahrhunderte zieht. „Sie ließen sich für alles bezahlen. Für alles gab es Pfründe und den Zehnt.“ Dafür schwärmten die Stiftsherren zur Erntezeit auf die Felder, auf dass sie nicht hintergangen würden.

War das Kollegiatstift zu Beginn noch eine Aufstiegsmöglichkeit für junge und gelehrige Söhne aus dem Handwerk oder dem Bauernstand, so wandelte sich die Institution Mitte des 18. Jahrhunderts zu einer Versorgungseinrichtung für alte, kranke und körperlich behinderte Geistliche. Und weil auch Geistliche nur Menschen sind, erzählte Andreas Jakob von einem Propst, der im Streit zwei Menschen erschlagen hatte und vom Papst freigesprochen wurde;  von einem Dekan, der „eine verdächtige Weibsperson“ bei sich wohnen ließ; einer betrieb sogar schwarze Magie, um Schätze finden zu können, weil er finanziell am Ende war.

 Dabei war das Kollegiatstift Zeit seines Lebens unterfinanziert und im Hochstift Bamberg mit weitem Abstand auch das kleinste der vier Stifte. Bis zur Säkularisation 1803, mit der auch das Ende des Kollegiatstiftes gekommen war, hielt es sich wirtschaftlich nur knapp über Wasser.

Auch die Zinsgeschäfte mit den Einwohnern Forchheims, für die das Kollegiatstift, wie auch andere Klöster jener Zeit, „die Bank des kleinen Mannes“ war, halfen nicht. „Es war immer schon schlecht ausgestattet. Dann ging es ständig bergab. Wäre Napoleon nicht gekommen, das Kollegiatstift hätte sich wohl selbst aufgelöst.“

Das gebundene Buch von Andreas Jakob, Das Kollegiatstift bei St. Martin in Forchheim, Band 2: Personallisten, mit 911 Seiten gibt es zum Preis von 65 Euro im Stadtarchiv Erlangen unter Tel. (0 91 31) 86-21 57 oder per E-Mail stadtarchiv@stadt.erlangen.de

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