Der langsame Abschied vom Landarzt

18.9.2012, 08:14 Uhr
Der langsame Abschied vom Landarzt

© dapd

Drei Wochen lang war Frank Bader im Urlaub. Nun steht ein halber Meter an Papieren auf seinem Tisch, der darauf wartet, abgearbeitet zu werden. Auf den Stapel muss der Allgemeinmediziner aus Igensdorf nur deuten, wenn er erklärt, was das Land für junge Mediziner so unattraktiv macht. „Auch in meiner Klinikzeit gab es zwar Überstunden, aber spätestens um 16.30 Uhr hatte ich ein Date mit der Schranke“, sagt der 43-Jährige.

Die Bürokratie, die in der Klinik Verwaltungskräfte übernahmen, bleibt in seiner Praxis auf dem Land an ihm hängen, daneben gibt es Notdienste zu besetzen. „Die Doppelbelastung merken schon 40-Jährige“, so der Arzt. „Man hat einfach mehr zu tun auf dem Land.“ Seine Arbeitszeit: bis zu 80 Stunden in der Woche.

„Noch sind wir im Oberland – Gräfenberg, Igensdorf, Hiltpoltstein, auch Ebermannstadt – noch recht gut besetzt, aber wenn die älteren Kollegen, die jetzt 60, 65 sind, aufhören, dann kommt einiges auf uns zu“, sagt er. Mancherorts werde es schon schwierig, die Notdienste zu besetzen.

„Ein-Mann-Praxis ohne Chance“

Jeder fünfte Arzt im Landkreis, das zeigen Statistiken, ist über 60 Jahre alt. Nachfolger finden die Mediziner meist nicht. Auch Dr. Josef Klein aus Obertrubach sah viele seiner Kollegen, etwa in Gößweinstein, verzweifelt, aber vergebens nach einem Nachfolger suchen. „Auch ich mache mir Gedanken“, sagt der Allgemeinmediziner, der noch zwei oder drei Jahre lang weiterarbeiten will. Er ist überzeugt: „Die Ein-Mann-Praxis hat keine Chance mehr.“ Die Kosten für die teuren Geräte könnten Mediziner nur in Gemeinschaftspraxen mit vier bis acht Ärzten schultern.

Sein junger Kollege Frank Bader zählt die Gründe für den Ärztemangel auf: Negativschlagzeilen um Organskandale, Ärztefehler und Honorarforderungen rücken den Beruf in ein schlechtes Licht, Krankenkassen schreiben den Medizinern vor, was sie pro Quartal verdienen dürfen, dazu „viele Budgets und Restriktion“.

Bader nennt ein Beispiel: Die Medikamente, die ein Arzt im Quartal verschreibt, dürfen ein bestimmtes Budget nicht überschreiten. Darunter leiden besonders die Landärzte, Bader erklärt das so: Verschreibt ein Facharzt dem Patienten ein teures Medikament, geht das zu Lasten des Facharzt-Budgets. Geht das Medikament aus, holt sich der Patient aber bei seinem Hausarzt ein neues. „Das Nachverordnen geht zu Lasten des Landarzt-Budgets“, so Bader.

Düstere Zukunft

Die Zukunft sieht entsprechend düster aus. Große Gemeinschaftspraxen und Versorgungszentren übernehmen die Aufgabe, die früher der Dorfarzt innehatte, schätzt Dr. Josef Klein. „Für Leute in Obertrubach bedeutet das, dass sie dann ohne Praxis sind.“

Wenigstens ein Problem geht der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Krankenkassen und Kliniken nun an. Im Moment wird der Bedarf an Ärzten für jeden Landkreis errechnet. Dabei wird nicht unterschieden, ob sich die Ärzte in der Fläche aufteilen oder sich etwa nur in der Kreisstadt konzentrieren. Im letzten Fall kann es dazu kommen, dass eine Zulassung für eine dringend benötigte Praxis auf dem Land nicht erteilt wird, weil es in der Kreisstadt schon genügend Ärzte gibt.

Ab 2013 sollen bei Bedarf besonders große Landkreise, zu denen auch Forchheim zu rechnen ist, in mehrere Planungsregionen aufgeteilt werden, um so die Stellen besser in der Fläche zu verteilen. „Wenn das so kommt, wäre das eine gute Sache“, kommentiert Frank Bader. Dann finden vielleicht auch wieder mehr junge Mediziner den Weg aufs Land – so wie Frank Bader selbst. Warum er nach Igensdorf gekommen ist? „Ich bin ein Landei aus Gräfenberg, ich fühl mich hier wohl“, sagt der Hausarzt. „Als die Chance kam, nur sieben Kilometer von Zuhause weg eine Praxis zu übernehmen, habe ich zugeschlagen.“

1 Kommentar