Digitales Fasten: Tipps zum bewussten Handy-Umgang

12.3.2019, 08:00 Uhr
Statt auf Zucker lieber mal aufs Smartphone verzichten? Digitales Fasten ist gar nicht so leicht: 13 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen sind nicht in der Lage auf soziale Medien zu verzichten

© dpa/Ole Spata Statt auf Zucker lieber mal aufs Smartphone verzichten? Digitales Fasten ist gar nicht so leicht: 13 Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen sind nicht in der Lage auf soziale Medien zu verzichten

Frau Matiaske, haben Sie schon einmal digitales Fasten ausprobiert, weil Sie Ihr Handy zu oft genutzt haben?

Bärbel Matiaske: Ich bin nicht so viel am Handy, eher süchtig nach Gummibärchen (lacht). Tatsächlich habe ich mein Handy oft ausgeschaltet, weil ich nicht immer erreichbar sein will und diese bewussten Auszeiten schätze.

Laut einer Studie der Krankenkasse DAK nutzen 34 Prozent der zwölf- bis 17-Jährigen soziale Medien, um nicht an Unangenehmes zu denken und 13 Prozent sind unfähig, die Nutzung zu stoppen. Wie problematisch ist das?

Matiaske: Dass Medien zur Ablenkung genutzt werden, gibt es, seit es Medien gibt - egal ob Fernsehen, Radio oder Internet. Das Handy ist allerdings immer in der Hosentasche dabei. Handys sind Zeitvampire. Bei jedem "Like", der auf meinem Handy erscheint, wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet - das funktioniert wie eine Belohnung. Da weisen im Nervensystem die gleichen Bereiche Erregung auf wie bei stofflichen Drogen, zum Beispiel Heroin.

Was können Eltern tun, denen eine übermäßige Nutzung bei ihren Kindern auffällt?

Digitales Fasten: Tipps zum bewussten Handy-Umgang

© Foto: privat

Matiaske: Eltern sollten mit ihren Kindern darüber sprechen und sich auch zeigen lassen, was ihre Kinder machen, um zu verstehen, was sie fesselt. Eltern können Jugendliche zu einem Selbsttest auf die Internetseite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schicken: www.ins-netz-gehen.de. Eltern sollten außerdem klare Regeln aufstellen, zum Beispiel, wie viel Zeit am Tag maximal am Handy verbracht werden darf, und die Einhaltung auch kontrollieren. Bei Kindergarten-Kindern sagt man, maximal 30 Minuten am Tag, bei Kindern bis 14 Jahre maximal eine Stunde am Tag. Die Vorbildfunktion der Eltern ist sehr wichtig. Ein Smartphone gehört auch nicht in die Hände von Kindern unter drei Jahren, weil sie erst einmal die Wirklichkeit "begreifen" müssen.

Eine Untersuchung der Uni Bonn zur Handynutzung der Deutschen ergab: Wir sind im Schnitt 53 Mal am Tag am Handy, unterbrechen alle 18 Minuten eine Tätigkeit dafür. Wann fängt Handysucht an?

Matiaske: Diese Zahlen sprechen auf jeden Fall für ein Gesellschaftsproblem. Sucht fängt da an, wo eine Abhängigkeit vorliegt und jemand seine Aktivitäten nicht mehr selbst steuern kann. Die Verweildauer nimmt immer mehr zu, bis jemand die Kontrolle darüber verloren hat, wie beim automatischen Griff zur Zigarette. Grundsätzlich kann jeder Stoff ab einer bestimmten Menge ein Gift sein, deshalb gilt: alles in Maßen.

Was sind die Vorteile des digitalen Fastens?

Matiaske: Grundsätzlich ist digitales Fasten eine Präventionsmaßnahme zum Schutz vor digitaler Sucht, ein Abhängiger benötigt Behandlung. Interessant ist das Fasten besonders für diejenigen, die ein Leben ohne Mobiltelefon gar nicht kennen. Sie können erleben, dass es auch ohne geht und welche Freiheiten damit verbunden sind. Zum Beispiel selbst über meine Zeit zu bestimmen. Mir frei zu überlegen, was ich jetzt machen möchte und mit wem. Jugendliche, die ständig drauf schauen müssen, werden möglicherweise auch Entzugserscheinungen feststellen, wie innere Unruhe oder auch Gereiztheit.

Was raten Sie: besser komplett auf das Handy verzichten oder schrittweise die Nutzung reduzieren?

Matiaske: Das Fasten ist ein guter Anlass, um darüber nachzudenken, welche Apps nutze ich überhaupt für was und was davon ist reiner Zeitvertreib. Einfacher ist es, für eine begrenzte Zeit komplett auf das Handy zu verzichten. Teil-Verzicht ist zumeist schwieriger, weil die Verlockung dann doch zu groß ist. In einem Test wurde herausgefunden, dass das Einstellen des Schwarz-Weiß-Modus die Nutzungsdauer verringert. Das könnte beim Fasten helfen. Wenn es während der Arbeitswoche gar nicht geht, ist es zumindest möglich, an den sieben Wochenenden der Fastenzeit darauf zu verzichten.

 

Welche Regeln sollte man sich vorher überlegen?

Matiaske: Am besten klappt das Fasten, wenn man es zum Beispiel gemeinsam in der Familie macht. So stellen alle zusammen Regeln auf und üben sie ein. Sich über die Erfahrungen auszutauschen hilft, ein neues Selbstverständnis der Nutzung zu entwickeln. Und es braucht eine Regel dafür, wenn jemand nicht durchhält. Eigentlich ist einmal kein Mal, man sollte es weiterhin durchziehen. Wie bei jedem Fasten sollte man sich eine Belohnung überlegen, etwas Schönes in der realen Welt – zum Beispiel eine Fahrradtour, einen Spielenachmittag, Wandern in der Fränkischen Schweiz mit der Familie oder auch ein Diskobesuch mit Freunden.

Wie lässt sich das Handy dauerhaft öfter weglegen?

Matiaske: Am besten ist es, sich selbst bestimmte Ziele zu setzen: beispielsweise handyfreie Zeit bei Mahlzeiten, bei den Hausaufgaben oder bei Dates beziehungsweise gemeinsamer Paar-Zeit. Da das blaue Licht des Bildschirms uns eher wachhält, wäre es gut, das Handy abends etwa zwei Stunden vor dem Schlafen auszuschalten oder wegzulegen. Eltern und Freunde sollten aufmerksam sein, wenn junge Menschen sich verändern und diese darauf ansprechen.

Mehr Informationen für Eltern auf der Website www.klicksafe.de/materialien.

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