Drückjagd gegen Forst?

22.9.2017, 18:59 Uhr
Drückjagd gegen Forst?

© F.: Huber

Am 12. Januar diesen Jahres führte der Forstbetrieb Forchheim im Staatsjagdrevier Edelmannsberg bei Frensdorf im Landkreis Bamberg eine auf Reh- und Schwarzwild durch. Auch die zwölf angrenzenden privaten Gemeinschaftsjagdreviere der Hegegemeinschaft Burgebrach beteiligten sich. Bis auf zwei sollten die privaten Reviere nur auf Schwarzwild anlegen, um dessen Bestände zu reduzieren, die beiden Ausnahmen auch auf Rehwild.

Am Ende der zweistündigen Drückjagd lagen aber auf der Strecke nur fünf Stück Schwarzwild, dafür 61 Stück Rehwild, darunter zwei Böcke, die ausdrücklich gar nicht freigegeben waren.

Drückjagd gegen Forst?

© Foto: Erlwein

Stephan Keilholz stellt heute noch im Gespräch mit den Nordbayerischen Nachrichten kopfschüttelnd fest: "Eine solch hohe Rehwildstrecke von 40 Stück auf 100 Hektar hatte zuvor niemand der jagdlich Verantwortlichen für möglich gehalten."

Der dreijährige Abschussplan für das Revier Edelmannsberg sah insgesamt nur 66 Stück Rehwild vor. Weil in den Wochen zuvor schon 19 Stück erlegt worden waren, wurde der auf drei Jahre ausgelegte Plan also mit 80 Stück gleich im ersten Jahr zu 120 Prozent (über-)erfüllt.

Im Rahmen des Erlaubten

Das ist ein Wert im Rahmen des Erlaubten. Trotzdem wunderten sich die Staatsförster schon gleich über ihre Strecke: "Wir hatten mit 15 bis 20 Rehen gerechnet." Auf einer Gesamtfläche von 152 Hektar wäre dies ein durchaus "gutes Ergebnis" gewesen. Daher war die Ratlosigkeit unter den Waidmännern und -frauen groß, erzählt Keilholz: "Wie kann so viel Wild in einem so kleinen Bereich sein?"

Der Bayerische Jagdverband (BJV) glaubt die Antwort zu kennen. In zwei großen Artikeln in der Zeitschrift "Jagd in Bayern" im Juli und im September klagt unter anderem der BJV-Bezirksvorsitzende Hartmut Wunderatsch den Forstbetrieb Forchheim und namentlich den Betriebsleiter Keilholz scharf an.

Wild angelockt?

Die Vorwürfe: Das Wild sei im Vorfeld der Jagd durch das Auslegen von Futter ("Kirren") und durch mehrere Wochen Jagdruhe gezielt ins Revier gelockt worden; die bereits bis zum 12. Januar erzielten Abschusszahlen hätten keine Drückjagd mehr gerechtfertigt; der Staatsforst habe gegen die Waidgerechtigkeit verstoßen, weil nach der Jagd die verletzten Tiere nicht ausreichend "nachgesucht" worden seien.

Zum letzten Punkt, Verstoß gegen das Tierschutzrecht, hat der Jagdverband bei der Unteren Jagdbehörde im Landratsamt Bamberg eine Anzeige erstattet, die an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde. Die Ermittlungen laufen noch.

Aufnahmen verletzter Tiere

Gerade dieser Vorwurf, "Tierleid bewusst in Kauf genommen zu haben", trifft Stephan Keilholz besonders. Untermauert werden die Anschuldigungen durch Aufnahmen einer Wildkamera in einem Nachbarrevier. Sie zeigen Rehe beim Äsen, die offenbar Schusswunden haben, bei einem Tier ist ein Bein abgetrennt. Die Bilder kursieren im Internet auf verschiedenen Plattformen.

Stephan Keilholz wehrt sich vehement dagegen, einen ursächlichen Zusammenhang zwischen den abgebildeten Tieren und seiner Drückjagd herzustellen. Laut Datumsstempel sind die Aufnahmen erst über sechs Wochen nach dem 12. Januar entstanden, nämlich Ende Februar und Anfang März. Niemand wisse, so Keilholz, woher die abegildeten Rehe gekommen seien und ob die Verletzungen nicht von einer der Nachbarjagden herrührten.

Eine . Unter anderem hat jeder Jäger jeden seiner Schüsse auf einem Formular zu dokumentieren (Schwarz-, Reh- oder sonstiges Wild; beobachtet, beschossen, erlegt). Beschossenes, aber nicht erlegtes Wild wird im Anschluss "nachgesucht" und erlegt, um Tierleid zu verhindern. Dieses Nachsuchen, sagt Stephan Keilholz, wurde vom örtlichen Jagdleiter Berthold Schultheiß ordnungsgemäß und nachprüfbar abgearbeitet.

Weniger Schüsse

Den weiteren Vorwurf des Bayerischen Jagdverbandes, es seien im Revier Edelmannsberg "viele Schüsse" gefallen (bis zu 200), geäußert im Sinne von "zu viele" (das hätten Ohrenzeugen bestätigt), stimmt nicht mit der vom Forstbetrieb selbst durchgeführten Bestandsaufnahme überein: "Wir hatten 80 Schüsse, bei 66 Stück erlegten Wildes." Zur gleichen Zeit hätten aber auch in Nachbarrevieren Jagden stattgefunden. Auch deren Schüsse seien zu hören gewesen.

Forstbetriebschef Keilholz kann sich nicht erklären, warum der Jagdverband so frontal gegen ihn vorgeht. Die Artikel in der Verbandszeitschrift lösten bayernweit heftige Reaktionen aus. Ein Bundestagsabgeordneter der CSU aus Günzburg in Schwaben, selbst Revierinhaber, warf den Staatsforsten via Augsburger Allgemeinen beim Rehwild eine "Ausrottungsstrategie" vor. Revierübergreifende Drückjagden seien eine "geradezu skandalöse" Jagdmethode.

"Verhältnismäßig sehr gut"

Der Forchheimer Kreisvorsitzende des BJV und Kreisrat, Hans-Jürgen Dittmann (CSU), hebt einerseits das "verhältnismäßig sehr gute" Einvernehmen zwischen Privatjägern und Staatsforst im Landkreis Forchheim hervor.

Andererseits lehnt er Drückjagden ebenfalls ab und sagt, hier gebe es die gar nicht, das sei so vereinbart: "Uns Jägern missfällt es, wenn wir den Abschussplan einhalten, und die (gemeint ist der Staatsforst mit seiner Drückjagd, Anm. d. Red.) schmeißen an einem Tag alles über den Haufen." Das widerspreche "unserer Ethik", so Dittmann: "Wir gehen auf einen Bock auch mal zehn oder 20 Mal raus."

Allerdings beteiligen sich private Jäger zu Hunderten alljährlich auch an den Drückjagden des Staatsforstes, nicht nur letzten Januar am Edelmannsberg, sondern zum Beispiel auch bei der "Nikolausjagd" im Revier Oesdorf von Revierförster Erich Daum. Stephan Keilholz fügt an: "Auch solche beteiligen sich hier, die Ihnen sagen, es verstoße gegen ihre Ethik."

Die BJV-Konkurrenz vom Ökologischen Jagdverein Bayern hat die Vorwürfe gegen die Staatsforsten im Übrigen ebenfalls aufgegriffen. In einer Pressemitteilung spricht der ÖJV-Vorsitzende Wolfgang Kornder von einer "erschreckend substanzlosen Einschätzung" durch den BJV. Es werde "herumgefieselt, konstruiert, spekuliert", aber nirgendwo ein "konkreter Gesetzesverstoß" festgemacht. Der Grund, aus Sicht des ÖJV: "Weil es sie nicht gibt."

Der Vorstandsvorsitzende der Bayerischen Staatsforsten und Chef von Stephan Keilholz, Martin Neumeyer, nimmt den Betrieb Forchheim in allen ihm vorgeworfenen Punkten in Schutz: "Die vollständige Erfüllung des Abschussplanes bereits im ersten Jahr war vom Forstbetrieb Forchheim weder beabsichtigt noch zu erwarten."

Die Nachsuchen seien ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Bilder der Wildkamera könnten nicht zwingend auf die kritisierte Jagd zurückgeführt werden.

Nichts gesagt

Anfang Juli treffen sich sämtliche im Landkreis am Naturschutz beteiligten Institutionen traditionell in der Heunhütte bei Wimmelbach (wir berichteten). "Herr Wunderatsch", sagt Stephan Keilholz über den Verfasser der ihn so schwer treffenden BJV-Artikel, "saß zwei Plätze neben mir". Mit keinem Wort habe er die Jagd im Edelmannsberg erwähnt. Ein paar Tage später erschien dann die Zeitschrift. Keilholz: "Hier wird bewusst mit Halbwahrheiten gearbeitet, wir werden bewusst stigmatisiert und diskriminiert."

Den Grund für diese "bewusste Stigmatisierung" kenne er nicht. Deswegen frage er sich bis heute: "Wer hat ein Interesse daran, diese Vorgänge in die Öffentlichkeit zu bringen und uns zu schaden?" Immerhin: Auch die Zahl der Solidaritätsadressen, aus ganz Bayern, nehme inzwischen zu.

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