Ein Arbeitstag bei Kennametal in Ebermannstadt

22.1.2017, 08:00 Uhr
Ein Arbeitstag bei Kennametal in Ebermannstadt

© Fotos: Martin Regner

Wenn in der Metallindustrie die Späne fliegen, dann hat das oft etwas mit der Firma Kennametal zu tun, deren Ebermannstädter Werk sich in den Hang unterhalb des Feuersteins schmiegt. Hier werden – unter anderem von Industriemechaniker Tobias Kraus – die ganz harten Sachen hergestellt: Schneidplatten für Dreh- und Fräsmaschinen aus Hartmetall und Hartkeramik, mit denen anderswo Metallbauteile zerspanend in Form gebracht werden.

Die Geschichte des Unternehmens beginnt 1938 in Latrobe, einer Kleinstadt etwa eine Autostunde östlich von Pittsburgh, Pennsylvania, USA. Dort gründete Philip McKenna ein nach ihm benanntes Werk für Metall-Schneidwerkzeuge, das sich inzwischen zum international tätigen Konzern mit einem Jahresumsatz von 2,6 Milliarden US-Dollar weiter entwickelt hat. Anno 1993 kam die Fabrik in Ebermannstadt zu dem US-amerikanischen Unternehmen, als die dort angesiedelte Hertel AG von Kennametal übernommen wurde.

Metall ist bekanntlich hart und widerstandsfähig. Wer Metall bearbeiten will, braucht demnach etwas, was noch härter ist. Auf die Herstellung solcher hochfester Materialien versteht sich Tobias Kraus, der aus Heiligenstadt im Landkreis Bamberg stammt.

Fünf Maschinen gleichzeitig

Im Ebermannstädter Werk bedient Kraus meistens vier oder fünf Maschinen gleichzeitig, denn die Produktion läuft hier weitgehend automatisch: In den mit Schiebetüren verschlossenen Maschinen sausen flinke Roboterarme durch die Luft, die die selbstverständlich ebenfalls computergesteuert geschliffenen Werkstücke wieder entnehmen und in Transportbehälter einlegen.

Ein Arbeitstag bei Kennametal in Ebermannstadt

Das klingt ganz so, als hätte Kraus einen entspannten Job: Durchs Sichtfenster zuschauen, während die automatischen Helferlein die Arbeit verrichten, das zum Kühlen beim Schleifen verwendete Öl in alle möglichen Richtungen geschleudert wird und innen am Sichtfenster der Maschine nach unten läuft. Ganz so einfach ist es tatsächlich aber nicht.

Denn die Maschinen wollen regelmäßig auf immer wieder wechselnde Produkte eingestellt und mit neuen Schleifscheiben versehen werden. Das kann jedes Mal bis zu eine Stunde dauern und wenn Tobias Kraus Pech hat, dann verlangen gerade zwei Maschinen gleichzeitig nach seinen fachkundigen Händen.

„Die Arbeitsplanung sorgt aber dafür, dass die Maschinen meistens zu unterschiedlichen Zeitpunkten auslaufen“, erklärt Kraus. Wenn ein Produktionsgang beendet ist, öffnet er die Schiebetüren der Maschine, greift zum Schraubenschlüssel und baut etwa ein anderes Futter zur Aufnahme der Werkstücke oder eine gröbere oder feinere Schleifscheibe ein.

Groß wie ein Fingernagel

„Die Maßhaltigkeit“ gehört zu den größten Herausforderungen für Kraus: Die zum Teil nur fingernagelgroßen Schneidplatten, die seine Maschinen verlassen, werden von ihm mit feinsten Messgeräten und einem immer bereit stehenden Mikroskop laufend überprüft, damit auch alles passt.

Wenn wir hier mit einem Fotoapparat blitzen würden, könnten die Sensoren meinen, dass in der Maschine ein Funke geflogen ist, und dann innerhalb von nur einer Sekunde eine Flutung des Maschinen-Innenraums mit dem Löschgas Kohlendioxid auslösen. Damit soll einer möglichen Verbrennung so schnell wie möglich der Sauerstoff entzogen werden.

Überdies sind alle Werkshallen mit Gaswarnmeldern ausgestattet, die im Notfall ohrenbetäubenden Lärm verbreiten würden. „Wir arbeiten hier in der Beschichtung mit sehr giftigen und sehr gefährlichen Gasen“, erklärt Werkleiter Thomas Reindl. Falls der Alarm ertönen würde, „sollten Sie so schnell wie möglich den Fluchtwegen folgen“, macht Reindl dem Besucher schon vor dem Betreten der Fertigungshallen unmissverständlich klar. Kennametal verwendet unter anderem Titan-Tetrachlorid. In hermetisch abgeschotteten Behältern reagiert es mit anderen Gasen, mit denen die auf Spieße aufgefädelten Schneidkörper im Inneren der Behälter umgeben werden. Damit stellt man besonders harte Beschichtungen auf deren Oberfläche her.

Langweilig wird es Tobias Kraus nicht nur deswegen nie: „Die Roboterbedienung hat mich schon immer fasziniert“, verrät der junge Mann im Interview. Jeden Tag kämen neu entwickelte Schneidkörper in die Fertigung, „die ich vorher noch nie gesehen habe.“

Manche der von ihm hergestellten Werkstücke haben auch ein höchst interessantes Erscheinungsbild. Sie „sehen aus wie Gold, sind keines, sind aber ähnlich wertvoll“, so Werkleiter Reindl. Eine spezielle Legierung lässt die Schneidplatten im Licht golden schimmern. Für die Kräfte, die sie in der Metallverarbeitung in der Industrie aushalten müssen, wäre echtes Gold aber ein völlig ungeeigneter Werkstoff: Es wäre viel zu weich.

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