Eine fränkische Legende ohne Garantie

10.6.2011, 14:46 Uhr
Eine fränkische Legende ohne Garantie

© Löwisch

„Sie haben ihn gefangen, mit Spießen und mit Stangen, von Gailingen, den Eppelein. Das war ein Jubeln und ein Schrei’n!.“ Den Spruch und die 66 folgenden Zeilen mussten zahllose Schulkinder in der Region über Jahrzehnte hinweg auswendig lernen, wofür sie den Lehrer nicht unbedingt liebten. Viel lieber hörten die Kinder in der Schule – der Schreiber dieser Zeilen gehörte einst ebenso dazu – die zahllosen, spannenden Geschichten über Eppelein von Gailingen, der vor 700 Jahren auf die Welt kam.

Als Raubritter machte er die Gegend um Nürnberg unsicher. Er beklaute vor allem die reichen Nürnberger Händler. „Pfeffersäcke“ hießen die Leute, die ihre Waren aus der mittelalterlichen Handelsmetropole in alle Welt schafften und damit viel Geld verdienten. Aus den gewitzten Überfällen entstanden Geschichten, Sagen und Legenden. Zum Beispiel hieß es über den Räuber: „Wenn Eppelein auf dem Weg zur Muggendorfer Kirche war, ritt er, um den Weg durchs Tal zu sparen, zum Frauenstein und überquerte von dort das Tal in einem mächtigen Sprung.“

Berühmter Sprung von der Burg

Ein anderer Sprung machte ihn in den Köpfen der Menschen berühmt und unsterblich: der Sprung über die Nürnberger Burgmauer. Man hatte Eppelein wie schon so oft gefangen und wollte ihn in Nürnberg hängen. In einem Triumphzug brachte man ihn hoch zur Burg. Als die „Armesünderglocke“ zu läuten anfing, schaffte man ihn gefesselt zum Richtplatz. Als er dort seinen Rappen stehen sah, bat Eppelein den Burggraf, er möge ihn ein letztes Mal auf seinem Pferd reiten lassen. Der Wunsch wurde gewährt. Eppelein setzte sich in den Sattel, zischte seinem pechschwarzen Pferd etwas ins Ohr, worauf es sich hoch aufbäumte, um anschließend im rasenden Galopp über die Mauerbrüstung und den tiefen Burggraben in die Freiheit zu springen.

Zurück blieben ungläubige Gesichter, zwei Hufabdrücke in der Burgmauer, die noch heute an diesen legendären Sprung in die Tiefe erinnern sollen und ein Spruch, den noch viele kennen. Er lautet: „Die Nürnberger hängen keinen, sie hätten ihn denn.“ Eppelein kehrte nach Hause zurück mit seinem treuen Pferd, das diesen Sprung und den anschließenden Gewaltmarsch jedoch nicht überlebte. Bei der Wöhrmühle brach es zusammen und starb – so will es die Legende.

Sagenumwoben ist bis heute sein Leben. Besaß er in Trainmeusel hoch über dem Wiesenttal ein Schloss oder nicht? Gehörte ihm die Burg Gaillenreuth? War er überhaupt in der Fränkischen Schweiz zu Hause? Fragen, auf die es bis heute keine befriedigende Antwort gibt.

Schloss gab es nicht

Ein Schloss in Trainmeusel soll es zu Lebzeiten Eppeleins nie gegeben haben, behauptete schon 1971 der Burgenforscher Hellmut Kunstmann. Ein „ritterlicher Ansitz“ ist erst im 15. Jahrhundert nachweisbar.

Einig sind sich die meisten Quellen in der Annahme, dass Eppelein 1311 in Gailingen bei Windsheim geboren wurde. Er hatte fünf Kinder. Als Raubritter tritt er erst ab 1375 in Erscheinung. Jahre vorher war er vom Landgericht Nürnberg „in die Acht genommen“, also entrechtet worden. Seine Burg und die Wirtschaftsgüter hatte man zerstört, weil er zwischen die Mühlen zwei mächtiger Familien geriet: den Hohenlohern und den Nürnberger Burggrafen.

1381, im Alter von 70 Jahren, endete sein Leben gewalttätig. In einer Schenke in Postbauer erkannte man den Raubritter und nahm ihn fest. Man brachte ihn nach Neumarkt und räderte ihn dort.

Geister im Tal?

Doch damit endet nicht die Mär des Eppelein von Gailingen. Seit seinem Lebensende soll es zur Geisterstunde beim Trainmeuseler Burggraben „spucken“. Zu gewissen Zeiten, so erzählen es die Alten im Dorf, taucht ein Reitertrupp mit Eppelein an der Spitze auf. Er kommt den Berg herab, umkreist die Stelle der alten Burg, um dann lautlos in den Dorfweiher hineinzureiten.

Und die Moral von der Geschichte? „Zur rechten Zeit ein scharfer Sporn! So geht kein Reitersmann verlor’n. Wenn unter ihm ein Rösslein schnaubt und er noch an sich selber glaubt“ – meint Ernst Weber, der dieses Eppelein-Gedicht mit dem berühmten Anfang einst schrieb.