Erfolgsgeheimnis des Handwerks: Quer denken macht sexy

23.9.2018, 11:00 Uhr
Erfolgsgeheimnis des Handwerks: Quer denken macht sexy

© Foto: Udo Güldner

Die Freude über den Abend war Werner Oppel deutlich anzumerken. Bis über beide Schnurrbart-Enden hinaus strahlte der Kreishandwerksmeister aus Reuth. Einerseits weil er 44 neue Gesellinnen und Gesellen als "Spezialisten mit besonderen Talenten" von der Schulbank in die Arbeitswelt entlassen konnte. Andererseits weil es der Branche mit ihren vielen Gewerken selten so gut ging wie derzeit.

Keine Rede mehr davon, die regionalen Unternehmen stünden kurz vor dem Konkurs, wie es in den apokalyptischen Szenarien vor 17 Jahren noch geheißen hatte. Stattdessen volle Auftragsbücher. "Erfolg ist aber nicht leicht, sonst hätte ihn jeder," mahnte Oppel die ehemaligen Lehrlinge. Denn der Gesellenbrief sei zwar der erste Stich im Kartenspiel des Lebens. Mit dem ersten Stich könne man jedoch keine Schafkopfpartie gewinnen. Man müsse dran und neugierig bleiben. "Denken Sie groß, denken Sie quer, seien Sie ein bisschen verrückt, so wie ich. Das macht sexy."

Doch soviel Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Inzwischen reichen die 450 Azubis in den Innungs-Betrieben der Kreishandwerkerschaft offenbar nicht mehr aus, um alle personellen Lücken zu schließen, die durch den Bau- und Sanierungsboom oder altersbedingt ausscheidende Mitarbeiter entstanden sind. 496 Ausbildungsplätze in 150 Unternehmen in der Kreishandwerkerschaft konnten bislang nicht besetzt werden, so Oppel. Dabei habe sich auch bei den Vergütungen für den Nachwuchs in den vergangenen Jahren viel getan. Eindringlich appellierte Landrat Hermann Ulm an den Nachwuchs: "Sie werden in ihrem Handwerk und in unserer Region dringend gebraucht. Bei einem solchen Fachkräftemangel haben Sie die besten Chancen."

Mit dem "Oscar" ausgezeichnet

Wie in den Vorjahren auch stellten die Friseure beim "Ausbildung-Oscar" (Oppel) erneut die größte Gruppe. Was an der enormen Anziehungskraft der europaweit geachteten Akademie Meininghaus liegt, deren Schüler aus ganz Deutschland und dem benachbarten Ausland kommen. Axel Meininghaus übergab die Gesellenbriefe an 14 Nachwuchs-Coiffeure, darunter auch drei Prüfungsbeste: Chantal Zöller (Dorfprozelten in Unterfranken), Lea Billner (Berching in der Oberpfalz) und Kelly Kornetzki (Apensen bei Hamburg).

Außerdem erhielten auch der Fliesenleger Lukas Warmuth (Untermerzbach) von der Firma Andreas Schmittlutz (Rattelsdorf/Mürsbach), sowie die Schreiner Stefan Sillner (Poxdorf), der bei Gregor Rauh (Dormitz) und sein Kollege Philipp Kuschnir (Hirschaid), der bei Hoku Forchheim ausgebildet wurde, einen finanziellen Zuschuss für ihre Bestnoten. Seit 15 Jahren macht dies die von der Stadt Forchheim verwaltete Ludwig-und-Therese-Betz-Stiftung möglich, die handwerklichem Nachwuchs ein wenig unter die Arme greift.

Vom Gesellenbrief als einem "Wertpapier" sprach Matthias Graßmann. Der Vizepräsident der Handwerkskammer für Oberfranken lobte nicht nur das duale System aus Theorie und Praxis, das weltweit immer mehr Nachahmer fände, "nur nicht in Deutschland". Er sprach auch von einer hohen Rendite, die man damit ein ganzes Berufsleben erzielen könnte.

Davon können sich nun neben den 14 Friseuren auch acht Schreiner, acht Zimmerer, sechs Fliesenleger, drei Stuckateure, zwei Metallbauer, ein Maler- und Objektbeschichter, sowie ein Fleischer überzeugen. Nur die Kfz- und Anlagenmechaniker waren diesmal nicht dabei. Sie lernen dreieinhalb Jahre und werden erst im Frühjahr freigesprochen.

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