Forchheim: Rotkäppchen geht im Bordell der Großmutter anschaffen

15.11.2017, 07:57 Uhr
Forchheim: Rotkäppchen geht im Bordell der Großmutter anschaffen

© Foto: Udo Güldner

Klatschende Hände überall. So viele Menschen, die Worten lauschten. Die Luft wurde langsam knapp. Es war wie in einem Hexenkessel, als Felix Kaden aus Erlangen als erster das Publikum verzauberte. Mit einem Ausflug in die griechische Unterwelt ließ Kaden in literarischer Parodie aus Orpheus und Eurydike ein schwules Pärchen werden, das absichtlich getrennte Wege geht. Von Horaz über Shakespeare bis Poe reichten die Anspielungen des Slammers. So geriet auch Goethes "Faust" zur Vorlage für eigene Gedanken, Worte und Werke.

Der "local hero" Lenny Kreuz hatte es in der "Stadt ohne Mitleid" schwer. In einer Welt, in der Sprechblasen die Schädel füllen, Denker nurmehr reden, aber nicht mehr denken und wo man sich "unendlich einsam" fühlt. Wie sein Protagonist, der von allen guten Geistern verlassen war und deshalb einen Freiflug von der Brücke ins nasse Grab antrat, so ging die Hoffnung Forchheimer Ohren schon nach der ersten Runde unter. Kaum besser erging es wenige Minuten später Martin Geier.

Der ergötzte sich an Gewaltphantasien gegen ehemalige nervige, nun zementbezopfte Klassenkameradinnen. Allerdings keimte beim Zuhören der Verdacht, die blutende Nase könnte auch das Ergebnis eines Drogenrausches sein, dessen alptraumhafte Nachwirkungen nun eintraten.

Dafür sprachen "Kiffer-Erlebnisse Teil III", die in "Colapfützen und Bierseen" begannen und in der Bewusstlosigkeit unter einer Parkbank im mitternächtlichen Freibad endeten. "Der Abstieg des Martin Geier" begann mit seinem Ausstieg aus dem von ihm vor zwölf Jahren mitgegründeten Poetry Slam Forchheim, den er einige Jahre als "Master of Ceremony" (MC) geleitet hatte. Zuerst verschlug es den Dichter nach Nürnberg, danach noch tiefer nach Fürth, zumindest, wenn man dem aktuellen MC glauben wollte. Das Finale machten aber schließlich die Bamberger unter sich aus, die sich nicht mehr verzetteln wollten, als es um alles ging.

Für Geld, Frauen und ein Ei

Hatten sie zuvor noch abgelesen, so wurde es auf dem Höhepunkt der Satzschlacht eine schauspielerische Performance, die an Dramatik, Witz und Tempo keine Wünsche offen ließ. Dass er ein Punk-Fan ist, sah man nicht nur am Ramones-Shirt. Man hörte es auch, als Florian Langbein sich mit den Studienjahren eines gewissen Faust befasste. Für "Geld, Frauen und Spiegelei" verkaufte der seine Seele an den teuflisch erfolgreichen "Capitalisto". Später holte der "Kindskopf" noch die knallbunte Gummibären-Bande hinzu, um der nur am Profit orientierten Erwachsenenwelt den Kampf anzusagen.

Die Siegerin des "knallharten, liebevollen Wettbewerbes" schließlich hatte sich schon über den Applaus für ihre Performance verraten: Maron Fuchs verdichtete ein dementes Rumpelstilzchen, das nicht einmal mehr den eigenen Namen weiß, und dem Rotkäppchen, das im Bordell seiner Großmutter für Wolf und Jäger seine Dienste anbietet.

Damit waren die Zuhörer von der heilen Märchenwelt ordentlich kuriert. Im kulinarischen Rausch eines "Ernährungs-Nazi" ging es um ein Butter-Croissant, dessen spitze Enden ins Auge stachen. Der Besucherandrang zur Veranstaltung war so immens, dass man einige Gäste hätte beinahe nach Hause schicken müssen.

Doch im JTF weiß man zu improvisieren. JTF-Vorsitzender Ulli Raab blickt sehr zuversichtlich auf die ersten "Forchheimer Kulturwochen". Am 1. März 2018 ist erstmals nach zwölf Jahren der "Franken-Slam" zu Gast in der Stadt. Mal sehen, ob der Kolpingsaal ob des Besucheransturms dann auch aus allen Nähten platzen wird.

Der nächste Poetry Slam im Jungen Theater am Mittwoch, 29. November, 20 Uhr. Karten nur an der Abendkasse, sechs Euro, ermäßigt vier Euro.

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