Friesen verbreiten Boßel-Tradition in Franken

6.4.2018, 12:00 Uhr
Friesen verbreiten Boßel-Tradition in Franken

© Röttele

Uwe Steinkrauss ist als Exil-Friese etwas weg von manch zu Hause gelebter Tradition, holt sich mit einem Bollerwagen auf einem Feldweg aber ein Stück Heimat nach Franken. Der Zufall brachte ihn bei seinem Arbeitgeber in Erlangen mit drei anderen Nordlichtern zusammen. Die Liebe eines der Mitstreiter zu einer Frau wiederum ebnete den Weg nach Honings, wo ein berüchtigter Stammtisch die dörfliche Nachbarschaftshilfe auslebt. Bei Karpfen und fränkischem Bier entsponn sich schnell die Idee zu einem Wettkampf im Boßeln, den Steinkrauss hinterher schmunzelnd als "Völkerverständigung" bezeichnet.

Boßeln ist eine Wurfsportart, die zwischen September und März auf öffentlichen Straßen und befestigten Wegen ausgetragen wird. Zwei Mannschaften legen eine Tour zwischen vier und sechs Kilometern zurück, agieren abwechselnd in Paaren. Was sich beim Experten in der Anleitung "Ziel ist, die Strecke mit möglichst wenigen Würfen zu überbrücken" simpel anhört, endet zwischendurch regelmäßig im seitlichen Graben oder Gebüsch.

Denn die sechs bis acht Spieler pro Team schleudern eine Hartgummikugel (früher aus Holz), in Durchmesser und Gewicht etwas leichter als beim Kegeln, vor dem Bodenkontakt aus vollem Lauf durch die Luft. "Geübte Spieler schaffen auf der Gerade bis zu 200 Meter", erklärt Steinkrauss.

"Schööt" um "Schööt"

Der Kurs jedoch beinhaltet Kurven und Höhenunterschiede, die das Unterfangen erschweren. Mit dem "Kraber" werden Kugeln aus der Botanik gefischt. Wo die Wegbegrenzung verlassen wurde, wird weitergespielt. Kann ein Paar die Kugeln der anderen Mannschaft mit beiden Versuchen nicht überholen, erhält der Gegner einen Punkt, genannt "Schööt", und die Verfolger eröffnen den nächsten Doppel-Schlagabtausch, ehe die Führenden kontern dürfen.

In gemischten Formationen mit den Ostfriesen um Steinkrauss versuchten sich nun jüngst in den letzten frostigen Zügen des Winters 18 Pioniere an der unbekannten Disziplin. "Manchmal sind geniale Würfe dabei, manchmal ist es Glücksspiel. In Jedem Fall ist der Spaßfaktor enorm hoch", erinnert sich Peter Röttele ans Debüt. Wo die eingesetzte Mischung aus Kraft und Technik in anderen Regionen (Friesland, Irland) durchaus als Leistungssport betrachtet wird, trat auf der landwirtschaftlichen Straße zwischen Effeltrich und Hetzles der gesellige Part des über mehrere Stunden andauernden Spektakels in den Vordergrund.

Um sich vor Kälte zu schützen, neue Energie zu tanken und zwischendurch kleine Etappensiege gebührend zu zelebrieren, ziehen die Akteure mit reichlich Proviant durch die Gegend. Für fränkische Geschmäcker entpuppten sich Grünkohl mit deftiger Pinkelwurst und ostfriesischer Kräuterschnaps als äußerst gewöhnungsbedürftig, verrät Röttele. Dennoch soll der Boßel-Genuss keine Eintagsfliege gewesen sein.

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