Glück mit Kreide: Kinder vergessen Krankheit

8.8.2014, 16:20 Uhr
Glück mit Kreide: Kinder vergessen Krankheit

© Foto: privat

„Da kommt Willi!“, schallt es durch die Gänge der Fachklinik Sylt. Wilfried Leifheit freut sich, dass er wieder in Westerland sein darf. „Nach zehn Stunden mit Bahn und Fähre.“ Zwei Wochen bleibt „Willi“ auf der Insel und malt täglich mit Kindern und Jugendlichen, die Haut- und Lungenerkrankungen auskurieren. „Viele sagen ,toller Urlaub‘, aber während die an den Strand gehen, male ich den nur nach Fotos oder Postkarten, weil wir die Klinik selbst nicht verlassen können.“

Maritime Motive

Denn natürlich dominieren maritime Motive, das weite Meer, der nahe Strand, Leuchttürme und der endlose Himmel. „Am Anfang gibt es noch abwertende Kommentare der Kleinen. Aber sobald sie sehen, wie einfach es geht und was sie erreichen können, dann wollen sie plötzlich gar nicht mehr aufhören.“ Er beweise allen, dass sie es doch könnten. Wie einst Joseph Beuys, der in jedem einen Künstler sah.

Wilfried Leifheit benutzt für den Kontakt zur Kunst keine großen Hilfsmittel. Die Nachwuchsmaler arbeiten ohne Pinsel, nur mit ihren Händen und Pastellkreide. „Ein unmittelbares Erlebnis, das die Kinder anspricht. Viel Geduld ist notwendig, auf allen Seiten.“

Zur Kunst ist der gebürtige Hamelner ebenso gekommen, wie seine Schützlinge. Als 62-jähriger Klinikpatient nach einer schweren Krebs-Erkrankung. „Auch im Alter gibt es eine Perspektive, einen neuen Weg, um eine große Enttäuschung oder ein Fiasko zu überstehen.“ Heute steht Leifheit auf der anderen Seite des Papiers und möchte den kranken Kleinen etwas von der Hoffnung nahebringen, die ihn in schweren Zeiten nicht hat verzweifeln lassen. „In jedem schlummert ein Talent. Es bedarf nur des Zufalls, um es zu entdecken.“

„Ehrliche Begeisterung“

Die Pastellkreide sieht Wilfried Leifheit als archaische und zugleich leicht zu erlernende Technik an. „Beim Kulturkreis Egloffstein gab es kaum Zuspruch oder Anerkennung der Künstlerkollegen für die ganze Arbeit, die ich neben meinen eigenen künstlerischen Aktivitäten und meinem sozialen Engagement geleistet habe.“ Die Verbitterung ist dem ehemaligen Berufssoldaten, der drei Jahrzehnte in Augsburg gedient hat, deutlich anzumerken. Er habe sich dann entscheiden müssen und sich ganz der therapeutischen Aufgabe gewidmet. „Den Kindern ist ihre ehrliche und spontane Begeisterung für die Malerei anzusehen.“

Beim Gestalten mit dem Material alleine bleibt es aber nicht. Mit Leifheit besprechen die Kinder ihre Bilder, erklären und erzählen, und vergessen so für wenige Stunden ihre Neurodermitis, ihr Asthma oder ihre Mukoviszidose.

Dann gibt ihnen „Willi“ Tipps, wie sie mit Licht und Schatten, mit der Tiefe, mit der Perspektive noch ganz andere Effekte erzielen können. Und einigen Eltern rate er durchaus, ihren Nachwuchs künstlerisch weiter zu fördern.

„Bis ich 80 bin“

„Ich bin das ganze Jahr über unterwegs. Nicht nur an der Küste auf Amrum, auch in Geisach bei Bad Tölz oder in Wangen im Allgäu“ Viel mehr könne er derzeit nicht tun, sagt Leifheit. Der Kalender sehe aus wie bei einem Top-Manager. „Für meine Parkinson-Selbsthilfegruppe bleibt auch keine Zeit und Kraft mehr.“ Dann denkt Wilfried Leifheit an seinen nächsten Mal-Workshop und strahlt: „Mich motiviert das ungemein. Ich mache weiter, bis ich 80 bin.“

Keine Kommentare