Jetzt spricht der Weltmeister: Lukas Kohl unter Strom

7.12.2016, 06:00 Uhr
Jetzt spricht der Weltmeister: Lukas Kohl unter Strom

© Stoll

Der Wecker hatte den Wettkampftag um 5.40 Uhr eingeläutet, um 6.40 Uhr stand das Einfahren auf dem Programm, ein letzter Handstand auf dem Trockendock. „Das Adrenalin hat die stete Müdigkeit überlagert“, sagt Kohl im Rückblick. Nach der ersten mit schlafwandlerischer Sicherheit vorgetragenen Kür folgte am Nachmittag beim Auftritt der besten vier von 21 Teilnehmern der zweite Streich des Deutschen Meisters.

Der 20-Jährige durfte auf dem Sessel des Führenden Platz nehmen. „Ich war mit mir zufrieden und habe versucht, den Moment aufzusaugen. Michael lag mit seinen Übungen auf Kurs“. Dann, an einer technisch weniger anspruchsvollen Stelle beim Übergang Sekunden vor Schluss, rutscht der Titelverteidiger Niedermeier mit einer schwitzigen Hand am Lenker ab. Ein Raunen ging durch die Ränge der Arena. „Nie war mit einem Fehler zu rechnen, das kommt bei einem von 10 000 Versuchen vor. Ich habe mitgelitten“, beschreibt Kohl den Augenblick, der ihn zum Weltmeister machte. Die Zeit stand still, bis sich Niedermeier schüttelte, vom Boden erhob und dennoch über Silber freute. „Das ist ganz großer Sportsgeist. Als ich zu ihm aufs Parkett kam, lud er mich zu einer Ehrenrunde auf seinem Rad ein. In den Tagen vorher haben wir uns viel ausgetauscht, mit seiner Erfahrung gab er mir Tipps“, erzählt Kohl.

Über 200 Nachrichten schon vor dem Festbankett

Die beiden Protagonisten aus dem Nationalkader, die sich trotz Konkurrenz wie Freunde behandeln, teilten sich sogar ein Zimmer im Hotel. Der Abstecher dorthin, zwischen Siegerehrung, Pressekonferenz und abendlichem Festbankett der WM-Teilnehmer geriet für Kohl beinahe zum stressigsten Part: „So schnell habe ich mich noch nie umgezogen.“ Im Takt ging es bis in die Morgenstunden weiter. Als das Sport-Ass zwischendurch zum ersten Mal auf sein Handy geschaut hatte, erwarteten ihn über diverse Kanäle schon über 200 Nachrichten. Bis zu seiner Heimkehr am frühen Montagabend im Wohnort Ebermannstadt-Wohlmuthshüll sollte sich die Zahl noch steigern.

Nach der Fahrt mit dem eigenen Auto ist es die heißere Stimme am Telefon, die von der Belastung der vergangenen Stunden zeugt. „Die vielen Gespräche bei lauter Musik merkt man. Aber das war es auch schon, da ich von meinen nichtalkoholischen Getränken nur zur Ausnahme beim Anstoßen abgewichen bin.“ Dass diese Laster nicht Seins sind, erleichtert dem Weltmeister den Übergang in den Alltag. Schließlich hat der Student drei ausgelassene Uni-Veranstaltungen aufzuarbeiten und musste am Dienstag um 8.30 Uhr wieder antreten.

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