Kreativ in der Stille

31.8.2010, 00:00 Uhr

Im früheren Klassenzimmer steht ein Flügel, an dem der 61-jährige Workaholic ausspannt und sich inspirieren lässt. Dabei hatte alles damit angefangen, dass Walter Zimmermanns Vater in seiner Bäckerei für die Kunden musizierte. "Ich war unheimlich neugierig, habe mich dann selbst gebildet und mir so eine eigene Sphäre der Musik geschaffen." Sein Musikstudium bei seinem Namensvetter Bernd Alois Zimmermann in Köln glückte leider nicht, weil dieser sich völlig unerwartet umbrachte. Deshalb ging er zu Ernst Gröschel und Werner Heider an die Hochschule für Musik in Nürnberg. "Ich habe meine Fühler weit in die Welt hinausgestreckt: Utrecht, Amsterdam, Hamilton/USA, Liege, Rom, Den Haag, Buffalo, Barcelona, New York, Shanghai, Peking, Boston. Und bin doch wieder in der fränkischen Heimat gelandet", so der gebürtige Schwabacher.

Debüt schon 1969

Als Pianist debütierte er bereits 1969 in Erlangen, bevor er viele Jahre im bekannten ars-nova-Ensemble musizierte. "In meiner Heimat hatte ich keinen großen Erfolg. Ich bin hier auch nicht sehr bekannt." Das liege vielleicht an seinem fränkischen Dickschädel und seiner komplizierten und zuweilen etwas spröden Musik. Nicht ohne Grund sind die beiden US-Amerikaner Morton Feldman und John Cage die wohl größten Einflüsse, denen sich der Komponist gegenüber sah. "Feldman machte sehr leise, ruhige, etwas abseitige Musik, die nicht expressiv, sondern zutiefst lyrisch war." Walter Zimmermanns Generalthemen sind die Vereinzelung des Individuums, die Kommerzialisierung der Tradition und damit der Verlust der Identität, das Verlassen der Heimat und die Sehnsucht nach ihr, sowie der Vergleich der Kulturen. "Dazu braucht es etwas Abstand, denn wer direkt in der Kultur lebt, der nimmt vieles nicht mehr wahr."

Volksmusik erforscht

Nicht von ungefähr erforschte Walter Zimmermann die Volksmusik in einem Ghetto in Pittsburgh, in der Oase Siwa in Ägypten und in einem Indianerreservat in Montana. Da blieb es nicht aus, dass sich der Musikethnologe auch mit der fränkischen Volksmusik beschäftigte. Einerseits in seiner 1988 in Nürnberg uraufgeführten Oper "Über die Dörfer", andererseits in seinem Projekt "Lokale Musik", in dem er die Schönheit der heimischen Klänge sichtbar zu machen versuchte. Zum Komponieren kommt Walter Zimmermann heute nur noch in der Idylle Seidmars. "Mit wenigen Schritten ist man in der Natur. Da kann ich dann auch meine Chen-Tai-Chi-Übungen machen." Leider kann der Musikdozent nicht mehr so oft in der Fränkischen Schweiz sein, wie er möchte. "Ich muss mich ja an der Hochschule für Künste in Berlin um meine Studenten kümmern."