Leise Zweifel an der heilen Seniorenwelt

28.10.2014, 15:00 Uhr
Leise Zweifel an der heilen Seniorenwelt

© Foto: Anestis Aslanidis

Etwas überrascht sei sie schon gewesen von den Ergebnissen, sagt Susanne Wicht. Nicht nur der Seniorenbeauftragten im Landkreis Forchheim geht es so. Auch die Kreisräte sind bei der Vorstellung der Resultate verwundert, was die Umfrage unter den Senioren ergeben hat.

Der Datensatz, den ein Institut wissenschaftlich aufgearbeitet und auf 49 Folien aufbereitet hat, zeichnet das Bild einer äußerst zufriedenen Generation. Der überwiegende Teil der Senioren im Landkreis lebt nach eigenen Angaben im Eigentum und nicht zur Miete, beschreibt sich dank Auto als überaus mobil und ist auf Hilfs- und Beratungsangebote nicht angewiesen (Ergebnisse siehe unten).

Hausarzt gut erreichbar

Den Wunsch nach Verbesserungen hegt kaum einer der Senioren. Beispiel Hausärzte: Die Diskussion um das Aussterben des Landarztes zeigt sich noch nicht im Alltag der Menschen. Einen Hausarzt in der Nähe vermissen selbst im Schlusslicht, der Verwaltungsgemeinschaft Gosberg, nur 30 Prozent aller Befragten. In den meisten anderen Gemeinden sind über 90 Prozent der Senioren zufrieden mit der Erreichbarkeit von Allgemeinmedizinern.

Bereits 2008 hatte das Landratsamt begonnen, einen Aktionsplan für die ältere Generation zu entwickeln. Allerdings habe Personalmangel dazu geführt, dass die Arbeit manchmal liegen blieb, so Sozialamtsleiter Bernhard Rettig. Die Seniorenbeauftragte Susanne Wicht klemmte sich nun hinter das Projekt und startete die Umfrage, auf deren Ergebnissen der Aktionsplan fortgeschrieben werden soll. Durchgeführt wurde die Befragung in der Zeit vom vergangenen Jahr bis zum Frühjahr 2014. Insgesamt haben 1326 Senioren den Fragebogen ausgefüllt und zurückgeschickt. Ausgenommen ist die Stadt Forchheim, die eine eigene Umfrage durchgeführt hatte (wir berichteten).

Dass offenbar fast alle Senioren zufrieden sind, veranlasste CSU-Kreisrat Peter Eismann, nach Sinn und Kosten (stehen noch nicht fest) des Projekts zu fragen. Lisa Hoffmann, die im Sozialausschuss des Kreistags als Awo-Geschäftsführerin zu Wort kam, freute sich, dass die „Zeit des Stockens“ am Landratsamt vorbei sei. Allerdings gäben die Ergebnisse ein „verzerrtes Bild“. Womöglich hätten vor allem diejenigen den Fragebogen ausgefüllt, die ohnehin geistig und körperlich sehr fit sind. Dafür spricht, dass der Rücklauf in den jüngeren Altersgruppen am höchsten ist, so auch Grünen-Kreisrat Matthias Striebich.

Effeltricher wollen einkaufen

Interessanter Nebenaspekt: Bei Fragen nach der Infrastruktur ist die Kluft zwischen der Fränkischen Schweiz auf der einen und der Regnitzachse sowie dem Speckgürtel um Erlangen und Nürnberg auf der anderen Seite kaum erkennbar. Beispiel Einkaufsmärkte: 83 Prozent der Egloffsteiner sind mit dem Angebot zufrieden, aber nur 50 Prozent der Hallerndorfer und Effeltricher. Das bürdet der Politik die Verantwortung auf und stellt das Argument, man sei ja tiefe Fränkische Schweiz und habe per se schlechte Chancen, in Frage.

Die Ergebnisse der Umfrage:

Wohnen: 90 Prozent wohnen im Eigentum, zehn Prozent zur Miete. Deutlich über die Hälfte der Senioren lebt mit dem Ehepartner, 15 Prozent alleine, 16 Prozent mit Partner und Kindern.

Barrierefreiheit: Ebenerdigen Zugang zur Wohnung haben 59 Prozent, wenn auch lediglich 17 Prozent der Wohnungen vollkommen barrierefrei sind. Dass diese Zahl steigt, ist unwahrscheinlich: 82 Prozent der Befragten gaben an, über einen altersgerechten Umbau ihrer Wohnung gar nicht nachzudenken.

Rente: 21 Prozent haben unter 750 Euro Rente, fast ebenso viele zwischen 750 und 1000 Euro. Ein Viertel der Befragten erhält zwischen 1000 und 2000 Euro. 16 Prozent verfügen über 2000 bis 3000 Euro, weitere 16 Prozent haben mehr als 3000 Euro pro Monat zur Verfügung.

Pflege: Jeder fünfte Senior betreut einen pflegebedürftigen Menschen. Den Wunsch nach Hilfe und Entlastung bei dieser Arbeit spüren davon immerhin ein Drittel. Ansprechpartner ist für die meisten der Hausarzt, wenn es um Älterwerden und Pflege geht, mit Abstrichen auch die Wohlfahrtsverbände. Abgeschlagen: das Landratsamt, das als Ansprechpartner noch hinter den Nachbarn liegt.

Unterstützungsbedarf: Nur ein kleiner Teil der Senioren (17 Prozent) ist auf die Hilfe anderer angewiesen, etwa bei Einkäufen, Wohnungsreinigung und Gartenarbeit. Die benötigte Unterstützung kommt fast immer von den Angehörigen (69 Prozent) und zu einem verschwindend geringen Anteil von den Wohlfahrtsverbänden (1,6 Prozent), Freiwillige und ehrenamtliche Hilfe nehmen lediglich 1,9 Prozent der Befragten in Anspruch.

Mobilität: Die Senioren sehen sich selbst als hoch mobil an. Fast alle nutzen ein eigenes Auto. Das Nahverkehrsangebot interessiert wenige: 7,4 Prozent nutzen Bus und Bahn häufig. Das Anruf-Sammel-Taxi spielt quasi keine Rolle.

Infrastruktur: Die Zufriedenheitswerte schwanken stark zwischen den Gemeinden, vor allem in Bezug auf die Geschäfte vor Ort. Insgesamt ist aber eine hohe Zufriedenheit mit der Erreichbarkeit von Ärzten, Banken und der Post feststellbar.

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