Mal zurückhaltend, mal dramatisch

14.12.2014, 17:06 Uhr
Mal zurückhaltend, mal dramatisch

© Udo Güldner

Vor 800 Jahren wäre Falk Zenker einer der fahrenden Spielleute gewesen, der am Hof König Karl I. von Anjou mit Minnesang seinen Lebensunterhalt verdient hätte. Mit der Laute in der Hand hätte der Trobador den Adeligen zum Tanz aufgespielt, ihnen die Feste mit temperamentvollen Tönen versüßt.

Die „Estampien“ finden sich in einer altfranzösischen Liederhandschrift, dem „Manuscrit du Roi“ aus dem 13. Jahrhundert. Dabei komponiert Falk Zenker die dürftigen Vorlagen, die kaum über die Notation der Tonhöhe und des Rhythmus hinauskommen, so sensibel um, dass er dabei gleichsam en passant die Anfänge des Blues zu lokalisieren scheint. „Überall da, wo Lücken klaffen, springt meine Fantasie an. Ich höre in die Melodien hinein und vernehme, was sie von mir wollen.“

Sobald Falk Zenker die Gitarre ergreift, sind die Zuhörer ergriffen, denn aus dem Instrument spricht der Musiker, mal mit lyrischer Zurückhaltung, mal mit dramatischer Wucht. Auch vor Klangexperimenten mit Plastik-Heulschläuchen oder einer Sansula schreckt er nicht zurück. Dieses einer afrikanischen Kalimba nachempfundene Instrument aus einem Holzrahmen mit Metallzungen, die gezupft werden, lässt den Träumereien der Zuhörer Raum zur Entfaltung. In der Estampie Nr. 4 bestürmen seine wirbelnden Klänge die Zuhörer derart, dass sie davon regelrecht hinfortgeweht werden, während Falk Zenker im Auge des Orkans sitzt.

Alle denkbare technischen Möglichkeiten der Gitarre bis hin zu perkussiven Klängen lotet Falk Zenker aus. Zuweilen scheint man eine indische Sitar, eine türkische Saz oder eine neapolitanische Mandoline vor sich zu haben. Einige Passagen, die einer japanischen Biwa nachempfunden sind, atmen fernöstliches Flair, andere steppen balalaika-like durch den Kulturkeller. Mit historischer Aufführungspraxis hat es Falk Zenker nicht, dafür mit einer Synthese aus rockig-fauchender E-Gitarre und klassischer Konzertgitarre: Jimi Hendrix improvisiert das Concerto de Aranjuez.

Ein Glücksfall für die abendländische Musiktradition, dass diese einmaligen Fragmente auf Pergament eher zufällig erhalten geblieben sind. Ein Glücksfall aber auch, dass sich Falk Zenker mit viel Feingefühl, Raffinement und Empathie dafür interessiert.

Farbenfrohes Mittelalter

In „Hildegards Traum“ nimmt er die Zuhörer, die bis dahin schon reichlich Glücksgefühle verspürt haben dürften, auf einen weiteren experimentellen Trip in ein gar nicht düsteres, sondern äußerst lebendiges, farbenfrohes, ja psychedelisches Mittelalter mit. Bei aller Mystik scheint die heilkundige Nonne am Rhein, zumindest wenn man Falk Zenkers Einfällen folgt, ihre Heilkräuter woodstockmäßig geraucht zu haben.

Nachdem arabische Atmosphäre bereits in einigen Estampien hindurchschimmerte, die Einflüsse der Mauren auf die Musik der Iberischen Halbinsel sind kaum zu überschätzen, wendet sich Falk Zenker folgerichtig auch noch dem Flamenco zu. In „Charo“ setzt er der gleichnamigen US-Gitarristin ein brillantes Denkmal. Die Melodie sei ihm im sagenumwobenen Zigeunerviertel Sacromonte in Granada in einer der dortigen Höhlenwohnungen zugeflogen. Falk Zenker hat sie eingefangen.

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