Rauhnächte: Mystische Bräuche in der magischen Zeit

28.12.2016, 06:00 Uhr
Den Ziegen scheint es zu gefallen: Wer in den Rauhnächten Haus und Hof ausräuchert, der soll vor den wilden Horden und bösen Geistern verschont werden.

Den Ziegen scheint es zu gefallen: Wer in den Rauhnächten Haus und Hof ausräuchert, der soll vor den wilden Horden und bösen Geistern verschont werden.

Die Kräuter hängen zum Trocknen im Dachboden des Ziegenstalls. Vor allem Beifuß, aber auch Salbei, Lavendel . . . Rosi Körner bindet daraus so genannte Kräuterboschen zum Räuchern. "Früher wurde zu vielen Festen im Jahr geräuchert, zur Geburt, Heirat, im Krankenzimmer, bei Todesfällen", erzählt die 50-Jährige aus Engelhardsberg, die seit diesem Jahr Räucher-Kurse im Landkreis gibt.

Vor allem in den Rauhnächten sollen die Kräuter mit dem Rauch ihre Wirkung entfalten. Der Name Rauhnächte könnte vom Räuchern stammen, oder von "rauch" gleich "behaart, pelzig von Fell bedeckt" hergeleitet sein. Gemeint sind damit die in Fell gehüllten Perchten, die in den Rauhnächten ihr Unwesen treiben. Unheimlich viele Geschichten ranken sich um die Rauhnächte — alle haben einen heidnischen Ursprung, zum Teil wurden sie später christlich verbrämt, wie Christina König vom Forchheimer Pfalzmuseum erklärt.

Pflanzengeist steigt in den Himmel

Eines eint die Legenden: Sie handeln von einer magischen Zeit, in der ein Spalt zwischen unserer Welt und der Anders-Welt offen stehen soll. Indem man mit Harzen und Kräutern Haus und Hof ausräuchert, sollen die böse Geister fern bleiben.

Man kann das Räuchern als solch abergläubischen Brauch sehen oder aus naturheilkundlicher Sicht oder beides kombinieren. "Beim Räuchern wird die Materie der pflanzlichen Substanzen zu Asche, dadurch steigt der Pflanzengeist in den Himmel und nimmt die Wünsche und Anliegen mit", erklärt Rosi Körner. Sie ist von Beruf Krankenschwester. Den Weg zur Pflanzenwelt hat sie über ihre eigene Erkrankung gefunden: Borreliose. Was die Schulmedizin nicht schaffte, bewirkte ein Pflanzenratgeber. Seitdem beschäftigt sie sich mit Kräutern und deren Wirkung.

Um draußen Haus und Hof auszuräuchern, kommen die großen Kräuterboschen zum Einsatz. Basis bilden lange Beifußstengel. Drumherum werden die entsprechenden Kräuter gebunden. Am Schluss wird mit Blüten verziert.Manche nutzen die Rauhnächte, um jeden Abend zu räuchern und dabei Visionen zu bekommen und zu orakeln. Dann kommen Pflanzen zum Einsatz, die durchaus benebelnd wirken können. Bilsenkraut etwa, erzählt Körner, die auch ausgebildete Wildkräuterführerin ist.

Frau Holle kontrolliert

Das Räuchern ist eines von vielen Ritualen, die in den Rauhnächten durchgeführt werden. "Das sind uralte Überlieferungen, volkskundlich unheimlich faszinierend", erzählt Museums-Mitarbeiterin Christina König. Sie stammten aus einer Zeit, in der man noch mit den Zyklen der Natur gelebt habe. Der Winter sei die Zeit zum Ruhen, zur Rückbesinnung und zum Reflektieren gewesen. Das Alte geht zu Ende, das neue Jahr beginnt. "Deswegen haben auch die Rauhnächte zwei Seiten."

Wenn Christina König über solche Mythen erzählt, dann sind die Zuschauer fasziniert. Seit zwei Jahren bietet das Pfalzmuseum zwischen den Jahren eine Erlebnisführung zu den Rauhnächten an, die jedes Mal schnell ausverkauft ist. Auch für 29. Dezember sind alle Plätze belegt. "Die Menschen interessieren sich wieder für die Vergangenheit, für Brauchtum, für das Mystische", sagt König.

Wann die Rauhnächte genau beginnen, da scheiden sich die Geister. Klar ist, es sind immer zwölf Nächte. Damit wird "die Zeit außerhalb der Zeit", die Differenz zwischen dem Mondjahr mit 354 Tagen und dem Sonnenjahr mit 365 Tagen ausgeglichen. Schluss ist in der Nacht auf den 6. Januar.

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