Rendez-Vous mit der eigenen Tennis-Jugend

21.1.2017, 09:00 Uhr
Rendez-Vous mit der eigenen Tennis-Jugend

© Edgar Pfrogner

Aus der Perspektive eines Grundschulzwerges musste eine Person mit einem Einkaufswagen voller gelber Filzbälle über ungeheure Macht und Reichtum verfügen. Ein paar Jahre und viele Tennisstunden später, in denen der unzählige Male wiederholte Rückhand-Schwung irgendwann nur noch aus zerstörerischer Wut Tempo bekam, hat die manchmal barsche Frau aus Prag ihren Schützlingen immerhin etwas Macht vermittelt und ein paar ansehnliche Schläge beigebracht. Von einer Zigarettenpause während der Übungseinheit kam sie nach einer Unterredung mit zwei Anzugträgern nicht mehr zurück. Die Steuerfahndung, hieß es.

Der Nachfolger, ein Amerikaner mit klischeehaft eingefärbter deutscher Aussprache, wählt einen kumpelhafteren Ansatz im Umgang mit der pubertierenden Jungs-Gruppe. Sein meist gebrauchter Satz „Krieg ihn dir“ ist mir bis heute in Erinnerung geblieben. Einer kurzen Hochphase im Juniorenalter folgt eine schleichende Entfremdung, erst vom Tennis im Mannschaftsbetrieb, dann aufgrund hoher Kosten und mangelnden Spielpartnern vom gelegentlichen Hobby-Vergnügen.

Nervosität geht in Euphorie über

Nach bestimmt drei Jahren Abstinenz fühlt sich der Schlägergriff überraschend vertraut an, optische und akustische Atmosphäre auf dem Sandplatz in der Forchheimer Traglufthalle sind dagegen völliges Neuland. Worte hallen stärker als sonst. Weil draußen ein Wintersturm tobt, hat der Geschäftsführer den Innendruck erhöht, um die Spannung des Hallendachs anzupassen. Als wir uns zum Aufwärmen auf verkürzter Entfernung gegenüberstehen, überkommt mich Nervosität. Harald Payrleitner, seit fast 20 Jahren Tennislehrer und Talentförderer in Forchheim, will ich mich von meiner besten Seite zeigen. Seine ersten anerkennenden Kommentare lösen leichte Euphorie aus. Dabei nähern wir uns nach einigen Grundlinienduellen erst dem eigentlichen Hauptthema.

„Tennis ist ein Treffpunktspiel. Im Training geht es darum, die Rahmenbedingungen zu optimieren“, erklärt Payrleitner. Was er meint, erschließt sich mir bei den Korrekturen. Material-Hersteller entwickelten Bälle und Schläger, die Amateuren und Anfängern trotz technischer Defizite ein wesentlich intensiveres Spiel als noch vor Jahrzehnten erlauben, unersetzlich aber für ein stabiles Spiel ist die Körperstellung geblieben.

Motorik des Fußballers lässt grüßen

Payrleitner demonstriert offene, geschlossene und seitliche Variante. Mehrfach hindert mich dieses theoretische Wissen nicht daran, den kontrollierten Schlag mit dem eigenen falsch vorgeschobenen Bein zu behindern. Platz 4 auf meiner ersten Tennis-Urkunde, von fünf Teilnehmern bei einem Motorik-Wettkampf, war im Nachhinein ein eindeutiger Fingerzeig. Wie ich herausfinden durfte, ließen sich mangelnde koordinative Fähigkeiten beim Fußball mit Instinkt und Laufbereitschaft besser kompensieren. Als Coach Payrleitner Zielfelder definiert und mehr Präzision verlangt, ist von der einst als Kicker erworbenen Ausdauer nicht mehr viel im Köcher. Meine finalen Attacken geraten meistens überdosiert lang. „Merke dir, dass du deine Punkte nicht alle mit einem unerreichbaren riskanten Gewinnerschlag machen kannst. Erfolgsversprechender ist, den Gegner mit platzierten Bällen so unter Druck zu setzen, dass er die Fehler von selbst macht“, belehrt der Meister zurecht.

Payrleitner lässt Gnade walten. Ausnahmsweise. „Bei denen, die mich öfter sehen und kennen, rede ich schon auch manchmal Klartext. Nur Zuckerbrot geht ja nicht“, sagt der 41-Jährige schmunzelnd und beißt in sein Leberkäs-Brötchen. Sein Zwölf-Stunden-Tag, der im Sommer noch länger wird, ermöglicht nur ein kleines Zeitfenster für einen Snack und kurze Mittagserholung. So läuft es für den kommunikativen Tiroler, der in Franken zunächst als Honorartrainer arbeitete und sich vor noch nicht ganz zehn Jahren mit seiner eigenen Tennisschule t.i.m in Forchheim selbstständig gemacht hat, schon seit der Jugend. Nach Schule und Dienst beim Bundesheer absolviert Payrleitner an der Handelsschule Innsbruck die staatliche Prüfung zum Tennislehrer und heuert in der heimischen Kitzbüheler Gegend bei einem Sporthotel an und trifft bald auf die große Liebe aus Forchheim.

Stolz berichtet Payrleitner von der seltenen Konstellation, dass die neuen Herren I der SpVgg in der Bezirksklasse komplett aus Eigengewächsen besteht. Die vermutlich auch einmal über den Einkaufswegen voller gelber Bälle staunten. Bei der Rückkehr auf den Platz spürte ich dieses Kribbeln und wollte wieder zwölf Jahre alt sein.

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