Schletterjugend zieht wieder durch Dormitz

16.4.2014, 13:00 Uhr
Schletterjugend zieht wieder durch Dormitz

© privat

Volkstümliche Bräuche zu christlichen Festen gibt es viele. Am bekanntesten sind wohl die Sternsinger, wenn sie um das Dreikönigsfest von Haus zu Haus ziehen und ihre Segensbitte auf die Türbalken schreiben. Doch auch die Osterzeit kennt eine ganz ähnliche, uralte Sitte: das „Schlettern“.

Was das ist, weiß Ludwig Schmitt, Jugendbeauftragter der Gemeinde Dormitz: „Schlettern, das sind Instrumente aus Holz“, mit ihnen kann man ähnlich wie mit Ratschen mächtig Lärm machen – einen Lärm, den vor Ostern jeder im Dorf hören soll. Schlettern bedeutet jedoch mehr: Es ist auch der Name für einen alten Brauch aus dem späten Mittelalter, der in einigen katholischen Orten im Forchheimer Landkreis gepflegt wird. Dabei ziehen Kinder und Jugendliche mit ihren Schlettern durch die Straßen der Dörfer, um die Gläubigen mit verschiedenen Sprüchen lautstark ans Beten und an den Gottesdienst zu erinnern.

Respekt vor Grabesruh

Sie ersetzen durch ihr Tun damit das Geläut der Kirchenglocken: Diese schweigen nämlich an Karfreitag und Karsamstag aus Respekt vor der Grabesruh des gekreuzigten Jesus Christus. Nicht nur in Dormitz werden diese beiden Tage so gewürdigt, sondern auch in Steinbach, Neunkirchen und Kleinsendelbach, so Schmitt weiter.

Während der Jugendbeauftragte erzählt, sitzt er gerade im Pfarrheim gegenüber der Dormitzer Kirche „Zu unserer lieben Frau“. Gekommen ist er nicht alleine, denn 20 Kinder und Jugendliche sind mit von der Partie. Gemeinsam treffen sie letzte Vorbereitungen, damit bei ihrem Schletterumzug alles glatt läuft. Dabei geht es lautstark zu, denn vor Vorfreude sind alle schon sehr aufgeregt. Doch Ludwig Schmitt hat, bei aller Aufregung, alles gelassen im Griff. Kaum fangen die Kinder an, wild durcheinander zu reden, stellt er mit einer kurzen Kontrollfrage wieder Ordnung her. „Wo treffen wir uns am Freitagmorgen?“ – „Vor der Tabakstaude“, hallt es ihm aus den Kehlen der Kinder entgegen. Von der Gaststätte aus soll das große Schlettern losgehen, und das bereits um 4.30 Uhr am Morgen.

Doch frühes Aufstehen ist längst nicht alles, was ein echter Schletterer drauf haben muss, sagt Siebtklässlerin Johanna. „Disziplin ist auch sehr wichtig“, betont der 13-jährige Jannik. „Und Taktgefühl für die Holzinstrumente“, fügt sein Schletter-Kumpel Max hinzu.

Zwei Obermeister

Der Zehntklässler ist bereits sechsmal beim Schlettern dabei gewesen und gehört damit zu den alten Hasen. Zusammen mit dem 16-jährigen Nicolai ist er sogenannter Obermeister. So werden diejenigen Schletterer genannt, die die meiste Erfahrung haben. Sie sind es auch, die die verschiedenen Gruppen führen und darauf achten, dass die Kinder sich an gewisse Spielregeln halten. Disziplin, Pünktlichkeit und ein ordentliches Benehmen stehen dabei im Mittelpunkt.

Handys sind tabu

Dazu gehört zum Beispiel, dass die Kinder die Texte ihrer Lieder und Sprüche auswendig können, etwa das Gebet „Engel des Herrn“. Auch Handys und Zigaretten sind beim Schlettern tabu. Wichtig ist für Ludwig
Schmitt, der sich ehrenamtlich und mit viel Herzblut für das Fortleben dieser alten Tradition einsetzt, dass seine Schletterkinder schön und deutlich singen. Auch auf das Schlettern im Takt achtet er, und dass die Kinder ordentlich in Zweierreihen laufen. Man möchte schließlich bei den Menschen im Ort – wie in den Vorjahren – einen blitzsauberen Eindruck hinterlassen.

Um Ordnung und Disziplin allein geht es natürlich nicht. Beides ist kein Selbstzweck, sondern hat auch einen ganz pragmatischen Hintergrund: Je ordentlicher geschlettert wird, desto höher wird die Belohnung beim sogenannten „Eierzamschlettern“ am Nachmittag des Karsamstags ausfallen. Dann nämlich, am Ende der Schletterei, wird mit geschmückten Bollerwagen der Klapperlohn eingesammelt. Dabei ziehen die Kinder von Haus zu Haus und bekommen von den Dormitzern passend zur Jahreszeit Ostereier, aber auch Geld und Süßigkeiten. Alles wird gerecht aufgeteilt, so dass am Ende alle einen gleich hohen Anteil bekommen – so will es die Tradition.

Entlohnt wird das anspruchsvolle und kräftezehrende Schlettern noch durch einen weiteren Höhepunkt: das Turmschlettern am Karfreitag. Dabei erklimmen die Kinder um Punkt 12 Uhr mittags den 50 Meter hohen Turm der Pfarrkirche „Zu unserer lieben Frau“, um im Anschluss in schwindelerregender Höhe mit ihren Holzinstrumenten kräftig über Dormitz hinweg zu schlettern.

Wunderschöner Ausblick

„Der Ausblick über den Ort und den Reichswald ist wunderschön“, schwärmt Ludwig Schmitt beim Gedanken an das Turmschlettern – und strahlt übers ganze Gesicht. Die Kinder freuen sich schon sehr darauf, „und ich mich natürlich auch“.

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