Skelettfunde in Forchheim: Das sagt die Expertin

9.7.2017, 06:00 Uhr
Die Grabungen brachten unter anderem diese Knochen zum Vorschein: Sie gehören einem Jugendlichen aus dem 17. beziehungsweise 18. Jahrhunert. Zwischen dem  11. und 12. Brustwirbel sind degenerative Veränderungen sichtbar.

© Udo Güldner Die Grabungen brachten unter anderem diese Knochen zum Vorschein: Sie gehören einem Jugendlichen aus dem 17. beziehungsweise 18. Jahrhunert. Zwischen dem 11. und 12. Brustwirbel sind degenerative Veränderungen sichtbar.

Frau Jungklaus, Sie haben die beiden Skelette, die im Klostergarten gefunden wurden, einer eingehenden Begutachtung unterzogen. Was können Sie uns über die Menschen hinter den Knochen sagen?

Bettina Jungklaus: Es sind zwei sehr interessante Untersuchungsobjekte. Dabei hat besonders ein Skelett, das in einer ungewöhnlichen Lage in einer Grube vorgefunden wurde, für Aufsehen gesorgt. Dabei handelt es sich um einen jungen Mann im Alter von 15 bis 16 Jahren, der aus der Zeit des Antoniter-Klosters im 17./18. Jahrhundert stammt. Wir Anthropologen können ja nur das biologische Alter bestimmen, also die Alterung des Skeletts. Wenn jemand in Armut oder Not gelebt hat, kann er auch schneller gealtert sein.

Wie sieht es mit der Größe aus?

Bettina Jungklaus: Bei einem Jugendlichen kann die Körpergröße nicht bestimmt werden, da er sich noch im Wachstum befunden hat.

Wie erklären Sie sich denn die absonderliche Lage des Toten?

Bettina Jungklaus: Er hatte die Beine angewinkelt und den rechten Arm über den Kopf gelegt, mit der Hand an der linken Schulter. Das ist wohl dadurch zu erklären, dass er in die Grube hinabgelassen wurde.

Die Archäologin Bettina Jungklaus.

Die Archäologin Bettina Jungklaus. © Udo Güldner

Was sagt das über den Bestattungsritus aus?

Bettina Jungklaus:Ich vermute eine heimliche Sonderbestattung dicht an einem bestehenden Gebäude. Kein sehr ehrenvolles Ende. Möglicherweise handelte es sich um einen Fremden oder jemanden, der an einer unheimlichen Krankheit starb, die man sich nicht erklären konnte, und mit der man nichts zu tun haben wollte.

Was bedeutet „Sonderbestattung“?

Bettina Jungklaus: Die liegt vor, sobald der Tote nicht auf einem regulären Friedhof, also in geweihter Erde, zur letzten Ruhe gebettet wurde. Im christlichen Glauben kam es außerdem darauf an, die Leiche mit dem Kopf Richtung Westen zu begraben. Schließlich soll er am Jüngsten Tag die Wiederkunft des Messias mitbekommen, der in Jerusalem erwartet wurde. In Brandenburg an der Havel habe ich viele solcher Sonderbestattungen erforscht. Sie treten meist in Kriegs- oder Notzeiten auf und betreffen fast nur Männer.

Wie gesund oder krank war denn der junge Mann?

Bettina Jungklaus: Für sein Alter war der Gesamtzustand sehr schlecht. Er hatte den damals üblichen starken Zahnstein, die Mundhygiene spricht für eher ärmliche Verhältnisse, zudem eine degenerierte Wirbelsäule und schlimme Arthrose in Hüften, Knien und Sprunggelenken. Er ist wahrscheinlich viel zu Fuß unterwegs gewesen oder hat im Stehen gearbeitet. Es ging um schwere körperliche Arbeit, die er wohl nicht unter freiem Himmel verrichtet hat, denn er hatte einen Vitamin D-Mangel. Vielleicht ein Küchengehilfe...

Und wie sieht es mit der Todesursache aus?

Bettina Jungklaus: Die ist an diesem Skelett nicht nachweisbar. Da sind nur Gewalteinwirkungen eindeutig, die ihre Spuren an den Knochen hinterlassen, zum Beispiel Schwerthiebe. Schließlich war zu Lebzeiten noch mehr an dem Menschen dran. Da er noch jung war, kämen eine Infektion, eine Lebensmittelvergiftung oder eine Seuche wie Pest, Ruhr oder Cholera in Frage. Da bleibt vorerst viel Raum für Spekulation. Bei Mumien ist es viel einfacher, da dort noch mehr Gewebe erhalten ist.

Der zweite Tote ist ja deutlich älter...

Bettina Jungklaus: Er liegt schon länger in der Erde, stammt mithin aus dem ausgehenden Mittelalter (15. Jahrhundert). Er war mit 36 bis 43 Jahren etwas älter als das andere Skelett und ist mit etwa 1,67 Meter für seine Zeit normal groß. Er zeigt überhaupt keine Spuren körperlicher Anstrengung, seine Knochen sind recht grazil, seine Gelenke kaum abgenutzt.

Er hatte ja eine ganze Reihe an Verletzungen, die allerdings verheilt waren und deshalb nicht todesursächlich waren?

Bettina Jungklaus: Ich konnte eine Stichverletzung auf der linken Schädelseite nachweisen, mehrere Rippenbrüche und eine Stauchungsfraktur am rechten Knie. Er muss wohl von oben gefallen oder gestoßen worden sein. Ob es sich um einen Unfall oder eine Gewalttat, vielleicht Kriegswirren, handelt, bleibt erst einmal im Dunkeln.

Schlummern in den Knochen denn noch weitere Überraschungen?

Bettina Jungklaus: Mit einigem wissenschaftlichen Aufwand könnte man im Labor weitere Indizien zur genauen Todesursache finden, etwa Erreger-DNA, die auf eine bestimmte Seuche hindeutet. Außerdem ist es möglich, mithilfe des Elementes Strontium im Zahnschmelz die geographische Herkunft zu ermitteln. Auch genauere Aussagen über die Zusammensetzung seiner Ernährung sind denkbar. Das ist nur eine Frage der Finanzen. Es kostet pro Skelett rund 1000 Euro. Vielleicht wird das wegen der großen Ausstellung im Pfalzmuseum 2018 ja noch gemacht.

Interview: Udo Güldner

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