Überforderte Eltern, geschlagene Kinder - auch in Forchheim?

29.4.2014, 07:00 Uhr
Überforderte Eltern, geschlagene Kinder - auch in Forchheim?

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Ist gewaltfreie Erziehung Realität in den Familien des Landkreises? „Zumindest mehr als bei den Generationen vor uns“, sagt Katrin Wagner, Vorsitzende des Deutschen Kinderschutzbundes Forchheim. Während in der Großeltern- und teilweise auch noch in der Elterngeneration der Klaps auf den Hintern oder die Ohrfeige noch salonfähig waren, hat sich die gesellschaftliche Einstellung inzwischen geändert. „Heute entscheiden sich viele Eltern ganz bewusst für gewaltfreie Erziehung“, sagt Wagner. Das Ergebnis: „Die Handgreiflichkeiten in den Familie sind zurückgegangen.“ Denn die Eltern wüssten: Schläge sind keine Lösung, ja sogar kontraproduktiv.

Doch es gibt ein Aber, ein sehr großes sogar: Die Zahl der überforderten Eltern steigt. „Und Kindesmisshandlungen und Vernachlässigung entstehen oft aus Überforderung und Hilflosigkeit“, weiß Dagmar May, Leiterin des Amtes für Jugend und Familie im Landkreis Forchheim. In 690 Familien waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Jugendamtes 2013 im Einsatz. In 232 Fällen meldeten sich Nachbarn, Erzieherinnen oder Ärzte mit der Vermutung, dass Kinder geschlagen oder vernachlässigt werden.

In allen Gesellschaftsschichten

Damit haben sich die Zahlen zwar stabilisiert, aber Dagmar May bleibt alarmiert: Es zeige sich, dass Eltern immer schneller und öfter mit ihren Kindern überfordert sind. „Es mangelt an Erziehungskompetenz. “ Und: Zwar ist der Anteil der amtlichen Hilfen bei Familien, die Sozialleistungen beziehen, mit 40 Prozent relativ hoch. Doch lasse sich diese Erscheinung quer durch alle Gesellschaftsschichten beobachten. Der Grund liegt für die Leiterin des Jugendamtes auf der Hand: Es gibt immer weniger Familiensysteme, die sich gegenseitig stützen. Während früher Großeltern oder Tanten junge Eltern bei der Erziehung und im Alltag unterstützt haben, leben heute immer mehr Kleinfamilien isoliert in einer fremden Umgebung mit wenig Außenkontakten. „Eltern sind heute viel mehr auf sich allein gestellt und damit auch mehr belastet und leichter überfordert“, sagt May.

Vor diesem Hintergrund haben sich die Aufgaben des Jugendamtes in den vergangenen Jahren gewandelt — und erweitert. So geht es heute häufig um Prävention, um Bildungsangebote, die Förderung der Erziehungskompetenzen und das Herausholen der Familien aus der Isolation. Das Lern- und Spielprogramm „Opstapje“ zählt ebenso dazu wie die Arbeit der Koordinierenden Kinderschutzstelle (Koki). Seit 2013 werden außerdem fünf junge Familien im Rahmen des Awo-Projekts „PAT — Mit Eltern lernen“ betreut. Projektkoordinatorin Katja Franz ist von dem Ansatz überzeugt. „Im Laufe des Programms sind die Eltern selbstsicherer geworden, sie trauen sich mehr zu und sie wissen auch, wo sie hingehen müssen, wenn mal etwas aus dem Ruder läuft.“

Weichen werden gestellt

Jugendamtsleiterin Dagmar May hält es für wesentlich, mit solchen Programmen die Eltern vor allem in den ersten Lebensjahren der Kinder zu unterstützen. „Hier werden die Weichen gestellt“, weiß sie. Doch zugleich dürften auch ältere Kinder nicht vernachlässigt werden. „Sie sind die künftigen Mütter und Väter und auch sie müssen lernen, falls sie es noch nicht im Elternhaus erfahren haben, dass Gewalt kein Mittel ist, Meinungsverschiedenheiten auszutragen.“ Mehr Jugendsozialarbeiter an Schulen und gemeindliche Jugendpfleger hält sie daher für zwingend nötig.

Deren Vorbildfunktion ist die eine Seite. Zum anderen helfen sie mit, das Thema Gewalt in die Öffentlichkeit zu rücken. Denn: „Wenn Kinder geschlagen werden, passiert das ja nicht im öffentlichen Raum, sondern in der Wohnung“, erklärt Rainer Schmeußer, Leiter der Polizeiinspektion Forchheim. Prinzipiell werde die Polizei in Fällen familiärer Gewalt wesentlich seltener eingeschaltet als das Jugendamt. Aber es seien dann oft Lehrer oder Sozialarbeiter, die Hinweise geben.

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