Weber&Ott schneidert sich ein neues Image

6.2.2012, 17:27 Uhr
Weber&Ott schneidert sich ein neues Image

© Roland Huber

Die Modemarke Toni Dress ist tot. Tot allerdings nicht im Sinne von tot. Eine andere Zustandsbeschreibung trifft die Situation genauer: Aus eins mach zwei. Daher gilt ab sofort: Es lebe „Toni“, es lebe „Relaxed by Toni“.

Wem das jetzt zu schnell ging, der sollte sich vielleicht mal mit Enrico Tomassini unterhalten. Der 56-jährige, in der Mode-Metropole Mailand aufgewachsene Österreicher ist seit Herbst 2009 Vorstandschef des, wie er sagt, „vermutlich ältesten Textilunternehmens Deutschlands“.

Denjenigen möchte man sehen, der nach einer Kaffeerunde mit Tomassini nicht davon überzeugt wäre: Hier in der Konrad-Ott-Straße wird Mode-Geschichte geschrieben. Für Forchheim, für Franken, für Deutschland.

Wieder neu erfunden

Seit 1834 gibt es Weber & Ott, seit 1874 wirkt die Firma in Forchheim und seit einem Monat hat sie sich wieder neu erfunden. Sagt Tomassini. Denn: „Die letzten eineinhalb Jahre haben wir hier alles auf den Kopf gestellt.“ Mindestens. Tomassini kämpft auf einem „aggressiven Markt“, sagt er. Dieser Markt kennt ausschließlich große Gefühle. Sein „sehr emotionales“ Produkt sind nämlich: Damenhosen. Für die Frau ab 50.

Die Kundin ab 50 fühlt sich jung, jedenfalls jünger als dies früher der Fall war, als es noch Toni Dress als Marke gab. Und sie ist „jünger in der Denke“, sagt Enrico Tomassini.

Mit „Toni“ reagieren die Forchheimer auf die körperlichen und seelischen Veränderungen in ihrer Zielgruppe: „Mode ist nicht so entscheidend“, meint Tomassini. Wichtig seien „Qualität, Sicherheit, Passform“.

Kunden der Toni Dress Damenmoden GmbH sind freilich nicht diejenigen, die die Hosen tragen, sondern der Handel. Wie kommt das „Toni“-Produkt dort emotional an? Stefan Schick jedenfalls, der einzige Forchheimer Textilhändler, der „Toni“ führt, ist hochzufrieden: „Das ist bei uns eine der bestgehenden Hosenmarken.“ Und woran liegt’s? Schick: „Sie fertigen einfach passgenau.“

Produktion im Osten

Die Schnitte werden hier entworfen, am Computer als Vorlagen umgesetzt und von den wenigen noch verbliebenen Näherinnen als Muster angefertigt. Produziert werden die Hosen in Billiglohnländern: Rumänien, Ukraine, Litauen, teils auch in Tunesien und Fernost. Die Konfektionäre erhalten aus Forchheim das Stoffmaterial und die Muster. Zurück kommen Hunderttausende von Hosen. Sie hängen so lange in den riesigen Hallen des Obergeschosses, bis sie vom Handel abgerufen werden.

Chefdesignerin Juliane Wirth entwirft derzeit in der Konrad-Ott-Straße die Kollektion Frühjahr/Sommer 2013. Der Außendienst trommelt derweil für die Herbst/Winter-Kollektion 2012/13 und in den Handel geliefert wird aktuell die Kollektion Frühjahr/Sommer 2012. Zum ersten Mal in den beiden Linien „Toni“ und „Relaxed by Toni“.

Warum diese zwei Gleise? Enrico Tomassini erklärt: Wenn „Toni“ die Frau ab 50 dort abholen soll, wo sie mit ihrer Denke und ihrer Figur steht, so will „Relaxed by Toni“ die etwas ältere Hosenträgerin erreichen. Auch hier steht das Thema Passgenauigkeit im Vordergrund: „Die Frauen verlieren am Oberschenkel, dafür wird die Hüfte etwas breiter, ein kleiner Bauchansatz ist da.“ Dafür, so Tomassini, liefert seine Firma „Problemlösungen“. Also Hosen, die trotzdem sitzen. Die textilen Problemlösungen kosten im Laden zwischen 79 und 99 Euro. Auf dem deutschen Markt für Damenhosen ist Toni Dress nach eigenen Angaben der viertgrößte Anbieter, nach Brax, Mac und Angels.

Rund 185 Menschen arbeiten in Forchheim für „Toni“. Der Betrieb ist jetzt „ganz auf die Marke ausgerichtet“, sagt der Chef. Daher wurde Ende letzten Jahres 13 Mitarbeitern gekündigt, deren Tätigkeit (Sonderfertigung) nicht mehr gebraucht wird. Stattdessen kamen elf neue Leute für Vertrieb und Marketing.

Das gemeinsame Dach Weber-&-Ott-AG, unter dem noch andere Marken existieren, beschäftigt derzeit 252 Menschen, davon 16 Auszubildende. Sie erlernen die Berufe IT-Kaufmann/-frau, Dialog-Marketing, Büro- und Industriekaufleute. Ach ja: Auch Modeschneiderinnen und Näherinnen werden noch ausgebildet in Deutschlands ältestem Textilbetrieb.

Dem Chef, der „alles auf den Kopf gestellt“ hat, wäre es am liebsten, wenn alle Mitstreiter so für die Marke „Toni“ brennten wie er selbst. Enrico Tomassini genießt in der Textilbranche den Ruf eines exzellenten Verkäufers. Er gestaltet den Übergang des Traditionsunternehmens vom Produktions- zum Servicebetrieb, wie er sagt. Und so, wie er es sagt, meint er es auch. Auch wenn am Ende des Tages doch wieder Hosen verkauft werden.

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