Wie kann Weißenohe am besten wachsen?

14.3.2018, 17:56 Uhr
Wie kann Weißenohe am besten wachsen?

© Neubert

Im Osten Weißenohes, am Südhang zur Lillach hin liegt das potenzielle Baugebiet Weber. Einezirka 9000 Quadratmeter große ehemalige Streuobstwiese. Die Kirschbäume sind inzwischen gefällt und jüngst wurden auch die Erlen, Robinien, Weiden und der Holunder an der Südgrenze entlang der Dorfhauser Straße abgesägt. Dort patrouillierten bislang mehrere Fledermausarten auf der Jagd nach Insekten, wie aus einem Naturschutzgutachten hervorgeht, das die Gemeinde in Auftrag gegeben hat.

Das Baugebiet Weber wäre das vierte in den vergangenen 22 Jahren, das die Gemeinde Weißenohe ausgewiesen hat: Baumgärten (13 Parzellen), Lettenfeld (5) und Lillinger Weg (13) sind bislang auf den Weg gebracht worden. Für Bürgermeister Rudolf (WGA) ist die Statistik der Beweis: "Wir stehen für eine absolut kontrollierte Baulandentwicklung."

Gerade sind die Häuslebauer am Baugebiet Lillinger Weg kurz vor Dorfhaus am Werk. Noch sind nicht alle Flächen bebaut. "Aber wir hatten bereits alle Parzellen verkauft bevor wir das Gebiet überhaupt erschlossen haben", sagt Braun und will damit deutlich machen: Der Bedarf ist vorhanden, die Gemeinde muss handeln.

Anders sieht das Michael Neubert: "Jetzt ist der Ort zu Ende gebaut im positiven Sinn. Hier hinten im Tal ist es gut so wie es ist. Noch ein Baugebiet wäre einfach zu viel", sagt der 43-Jährige, der selbst im Tal in der Dorfhauser Straße wohnt. Neubert fürchtet, dass Weißenohe einen Teil seiner Anziehungskraft und Wohnqualität verliert: Die Natur, das Idyllische — und das ohne zwingenden Grund.

Die Gemeinde argumentiert, "zur Sicherung ihrer Entwicklung und um dem demografischen Trend mit Überalterung der Bevölkerung, Einwohnerrückgang, Auslastung kommunaler Infrastruktur (Kindergartenauslastung), etc. entgegenzuwirken", sei man "auf die Bereitstellung von Bauflächen für einheimische Familien und für den Zuzug junger Familien dringend angewiesen", wie es in der Begründung zum Bebauungsplan heißt und wie Rudolf Braun nochmal am Telefon bekräftigt. 1199 Bürger wohnen in Weißenohe (Stand 2016).

Wenn es Mangel an Bauplätzen bei gleichzeitiger hoher Nachfrage der Weißenoher gibt, warum wurde das Baulandmodell dann modifiziert, so dass nun auch Bürger aus Gräfenberg, Hiltpoltstein und Igensdorf in den Baugebieten Baumgärten, Lettenfeld und Lillinger Weg zum Zug kommen?, fragt sich Michael Neubert. Das sei eine vorausschauende Lockerung gewesen, inzwischen habe die EU solche reinen Einheimischen-Modelle als diskriminierend verboten, sagt Braun.

Im Rahmen der Aufstellung des Bebauungsplans hat die Gemeinde im Herbst vergangenen Jahres 31 private Baulücken ohne Bauverpflichtung ermittelt, zwei davon werden derzeit auf einem Immobilienportal angeboten. Obendrein stehen auch immer wieder bereits gebaute Häuser zum Verkauf. Michael Neubert schließt daraus: "Wer hier wohnen will, der kann das ohne Zerstörung der Natur schon jetzt tun."

Schützenswerte Natur

Für den selbstständigen Diplom-Kaufmann ist es schlicht nicht nötig, dass Weißenohe ein neues Baugebiet ausweist. Zumal wenn es um den letzten freien Südhang geht, den Weißenohe zur Lillach hin habe. Eine Wiese nahe am Naturschutzgebiet, an deren oberen Ende ein kleiner Wanderpfad Richtung Lillachquelle führt.

Für Neubert ein schützenswertes Stück Natur, das nun der allgemeinen Goldgräberstimmung in Sachen Bauland-Ausweisung zum Opfer fällt. Ein ganz anderes Bild zeichnet Rudolf Braun. Schon seit vielen Jahren habe die Gemeinde ein Baulücken-Kataster, gerade um nicht unnötig Bauland auszuweisen. Von den 31 Baulücken — Stand Oktober 2017 — gebe es inzwischen gefühlt nur noch 20. Zum Verkauf stehende Häuser gehen quasi weg wie warme Semmeln. "Bei uns steht nichts leer." Die Nachfrage sei stetig vorhanden. Im Übrigen seien alle Beschlüsse, die das Baugebiet Weber betreffe, fraktionsübergreifend einstimmig getroffen worden.

Von technischer und umweltschutzrechtlicher Seite gibt es offiziell keinen Grund, das Baugebiet abzulehnen. Die Erschließungsstraße von der Dorfhauser Straße aus wäre zwar steil (knapp 20 Prozent Steigung), aber befahrbar. Statt der Kirschbäume stünden drei Reihen Häuser, die Grundstücke sollen zwischen 450 und 550 Quadratmeter groß sein.

Ein Gutachten hat der Gemeinde bescheinigt, dass die Ton-, Sandstein- und Kalkschichten einen ausreichend festen Grund böten, hieß es in der Gemeinderatssitzung im Oktober 2017. Aus den Unterlagen geht hervor, dass für jedes Gebäude noch einzelne Baugrunduntersuchungen nötig sind. Im Naturschutzgutachten wird festgestellt, dass Teile des Grundstücks "hohen Wert für den Artenschutz europaweit bedeutsamer Arten" haben. Aber: Wenn entsprechende Maßnahmen (etwa Nistkästen aufstellen und Ausweisung einer Ersatzfläche oberhalb des Grundstücks, damit der Neuntöter dort brüten kann), getroffen werden, kann gebaut werden.

Seit der Bebauungsplan (ab Juni 2016) wieder vorangetrieben wird (ein Vorentwurf existiert bereits seit 1999) hat Michael Neubert seine Bedenken immer wieder formuliert. Er fühlt sich nicht ernst genommen in seinem Bestreben, die lebenswerte Umwelt, die "einzigartigen Streuobstwiesen und Südhänge" künftigen Generationen zu erhalten. Noch in dieser Woche will er deshalb Unterschriften für ein Bürgerbegehren "Rettet das Lillachtal" sammeln.

Mehrere Mitstreiter hat er schon gefunden. Das Ziel: Die Gemeinde Weißenohe soll "alle notwendigen und rechtlich vertretbaren Maßnahmen ergreifen, um das Bauleitverfahren "Weber" endgültig einzustellen und den Südhang des Sommerbergs (. . .) unverändert zu erhalten.

Zehn Prozent der Wahlberechtigten müssten unterschreiben, damit das Bürgerbegehren zulässig ist. Bürgermeister Rudolf Braun sieht dem Unterfangen gelassen entgegen. "Das ist sein gutes Recht."

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